„Wir beweisen, dass es funktioniert!“

Michael Weib (Foto) disponiert den Einsatz der Lkw, die Westerwälder Holzpellets ausliefern. Mit ihm sprach Uwe Schmalenbach über die Unterschiede, die die Nutzung von elektrischen Lastwagen für seine Arbeit bedeutet.

Wie ist das, wenn man plötzlich E-Lkw verwenden soll?
Das war erst einmal eine Umstellung nach 35 „Diesel-Jahren“ im Beruf. Aber wir haben uns ja vorher schon mit der Thematik beschäftigt, und auch dadurch, dass ich bereits E-Pkw gefahren bin, wusste ich um die eine oder andere Besonderheit.

Es kam zunächst nur ein Lkw in 2022, nicht wahr?
Ja, mit dem haben wir ab September letzten Jahres geübt.

Doch mit inzwischen sechs Lkw ist das ja mehr als ausprobieren: Der Winter kommt, es müssen die Wünsche vieler Menschen nach Eurem umweltfreundlichen Brennstoff erfüllt werden…
Die Tourenplanung ist mit den E-Lkw etwas intensiver, da man sich die eine oder andere Strecke genauer ansehen muss: Welche Route können wir fahren? Haben wir Ladestationen unterwegs? Haben wir die entsprechenden Ladekarten dafür? Denn es ist ja noch nicht so, dass man mit einer einzigen Karte überall laden könnte.

Wie löst ihr das?
Durch unsere Kollegen auf den Autos haben wir ein großes Netz ausfindig gemacht, wo wir entweder auf dem Weg zum Kunden einmal kurz nachladen oder eben auf dem Rückweg, wenn wir mal Richtung Rheinland müssen. Dann können wir zum Beispiel in Hennef oder Koblenz gute Standorte nutzen, so dass wir auch von den weiteren Strecken immer nach Hause gekommen sind.

Was ist noch anders zu früher?
Wenn der Lkw eine zweite Tour am selben Tag fahren soll, müssen wir nachdenken, wie lange er hier auf dem Gelände nachladen muss. Die Zeit müssen wir zusätzlich einplanen. Wir avisieren den Kunden jeden einzelnen Termin. Wenn wir elf Uhr sagen, dann warten die Menschen um elf auf uns – nicht um zehn nach elf.

Jetzt naht der Winter. Ändert sich da noch etwas?
Wir bekommen mobile Ladesäulen dazu, damit wir die Lkw in unserer Halle 5 laden können. Durch die niedrigeren Temperaturen nachts lädt der Akku nicht so viel wie sonst.

Wobei ihr ja bald den neuen Ladecontainer nutzen könnten, oder?
Ja, wenn der maximal lädt, ist der Lkw nach nur eineinhalb Stunden voll!

Sind weitere Schritte bei der Umstellung auf E-Mobilität geplant?
Wir bekommen noch einen weiteren elektrischen „Volvo“ – ich nehme an: Anfang nächsten Jahres. Dann nutzen wir sieben elektrische Lieferfahrzeuge. Wir hatten den Mut, diesen Schritt zu gehen und beweisen gerade, dass es zumindest im Verteilerverkehr funktioniert!

„Wie soll das funktionieren?“

Maik Christ lacht immer noch lauthals los, wenn er an den Moment denkt: „Ja, ja elektrisch! Haha, erzähl‘ du mal!“, spottete er, als sein Chef Markus Mann zu ihm kam, um ihm zu signalisieren, dass sein Diesel-Lkw schon bald durch einen vollelektrisch angetriebenen abgelöst würde. „Wie soll das funktionieren?“, habe er ungläubig gefragt. „Wenn du über drei Jahrzehnte Diesel fährst und auf einmal heißt es, du sollst jetzt elektrisch fahren…“

Die Hinterachse des Aufliegers lenkt mit und macht den elektrischen Pellet-Laster trotz seiner Länge sehr wendig. Eine Rückfahrkamera gewährt einen guten Überblick.

Es war im Sommer vergangenen Jahres, als erstmals ein Lastwagen mit Elektroantrieb vom Hof der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) rollte, um den umweltfreundlichen Brennstoff ohne klimaschädliche Abgase aus einem Verbrennungsmotor zu WWP-Kunden zu transportieren (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete). Hatten die ersten Wochen mit dem damals in Dienst gestellten „Designwerk Futuricum“ noch etwas Experimentelles, nutzt der Langenbacher Energielieferant inzwischen sechs vollelektrische LKW verschiedener Hersteller – ganz „normal“, Tag für Tag. Bald sollen sieben der zwölf Fahrzeuge der WWP-Lkw-Flotte elektrisch angetrieben sein.

Maik Christ ist ein cooler Typ, ein entsprechendes Tattoo am Bein weist ihn als glühenden Schalke-Fan aus, Kollegen wie Kunden schätzen seine Art. „Ja, einige vielleicht“, scherzt er. Doch dann erzählt er, ganz ernst, mehr von seinem Start in die berufliche Elektromobilität. Es sei, nach dem besagten Gespräch mit seinem Chef, eben doch der Tag gekommen, als sein neues Arbeitsgerät, strahlend weiß und mit Elektromotor, im April des Jahres auf dem Hof der WWP in Langenbach bei Kirburg stand. „Und heute will ich ihn nicht mehr abgeben!“, entfährt es ihm sofort, wenn er über den „Volvo FH Electric“ spricht.

Der darf, je nach Auflieger, ein Gesamtgewicht von bis zu 42 Tonnen aufweisen. Maik Christ überführte seinen Lkw selbst vom Händler in Ransbach-Baumbach bis nach Langenbach, „und habe dabei von Ransbach-Baumbach bis nach Langenbach auf den Hof gelacht“, berichtet er über den ersten Eindruck. Man habe plötzlich nichts mehr gehört, keine Fahr- und Antriebsgeräusche, allein den leise an der Sonnenblende über der Frontscheibe säuselnden Fahrtwind.

Der Fahrer mag die feine Dosierbarkeit der Kraft beim Rangieren.

„Jetzt habe ich mich daran gewöhnt, aber am Anfang war es für mich eine riesige Umstellung von den Geräuschen her – und ebenso von der Leistung!“ Denn den Auflieger, den Maik Christ mit seinem „Volvo“ durch die Gegend zieht, merke er nicht mehr. „Diese Autos haben eine solche Kraft… Wenn ich das mit meinem alten ‚Mercedes Actros‘ vergleiche, der zwar auch 480 PS hatte: Wenn ich den richtig vollgeladen hatte, kam manches Mal das Gefühl auf, ich komme die Berge nicht hoch.“ Das sei heute komplett anders: Die elektrischen 677 PS oder 498 Kilowatt (kW) Leistung ließen sich fahren, als wenn er nur mit der Sattelzugmaschine ohne Auflieger unterwegs sein würde.

Was aber selbstverständlich nicht stimmt, hinten im knapp 13 Meter langen Zug sind gerade 20 Tonnen Westerwälder Holzpellets eingeladen (maximal wären 23,5 zulässig in dieser Fahrzeugkonfiguration), von denen an der ersten Abladestelle in Hahn am See vier Tonnen schon erwartet werden.

„Ja klar: eine Einbahnstraße“, murmelt Christ, während er sich an diesem Herbstmorgen mit dem 2,55 Meter breiten Gefährt der Kundenadresse im Schritttempo nähert. Doch ganz routiniert und mühelos rollt er damit in die kleine Seitenstraße.

„Der Auflieger lenkt elektrohydraulisch mit“, erläutert er die Beweglichkeit des Sattelzugs. „Deswegen läuft der Auflieger immer sauber hinterher. Eine super Sache!“ Wenn es noch enger wird, erlaube eine Funkfernbedienung, zusätzlich die Lenkachse des Aufliegers von Hand zu steuern, fügt Christ an.

Doch jetzt muss er anhalten und aussteigen, um mit der Hauseigentümerin in Hahn am See den Keller ihres Einfamilienhauses in Augenschein zu nehmen und das dortige Pelletlager zu kontrollieren. In diesem Fall ist es ein Sacksilo, in das die Pellets eingeblasen werden sollen. Aus Rohren an seinem Auflieger holt der Fahrer je sieben Meter lange Schlauchstücke, schraubt sie zusammen und verbindet das Silo so mit dem Lkw.

Während die Holzpellets durch den Schlauch zu rasseln begonnen haben, erklärt Maik Christ noch, dass der vorhin erwähnte Motor für das Lenken der Hinterachse durch zwei 24-Volt-Starterbatterien angetrieben werde, die auch die ganze Elektronik des „Volvo“ versorgen. Verlieren die an Ladung, werden sie von den Fahrzeug-Akkus, die zusammen eine große Kapazität von 540 Kilowattstunden aufweisen, wieder aufgeladen. „Auch der Nebenantrieb für den Kompressor, mit dem jetzt gerade die Pellets eingeblasen werden, wird aus diesen Akkus versorgt.“ Aus diesem Grund habe der elektrische Lkw im Alltag nie die Reichweite, die er, mit vollen Akkus, am Morgen auf dem Display zeige, „eben weil wir unterwegs einige Kilowattstunden dazu benutzen, die Pellets einzublasen.“ Doch dafür rattere vor dem Haus der Kunden kein Abgase ausströmender Dieselmotor mehr.

Die vier Tonnen in Hahn am See sind inzwischen im Lager der Kundin, die vor der Abfahrt von Maik Christ noch schildert, dass sie bei einer früheren Bestellung aus einer anderen Quelle „etwas günstigere“ Pellets geordert habe. Die seien, wie sich hernach herausstellte, aber von minderer Qualität gewesen, die Heizung war gestört. „Da habe ich gelernt“, betont die Frau, und seither bestelle sie ausschließlich WWP.

„1991 hab‘ ich bei der Spedition MANN angefangen, war fünf Jahre da. Danach war ich 20 Jahre im Fernverkehr unterwegs“, sagt Maik Christ auf dem Weg zur nächsten Abladestelle in Herschbach. „Wie das halt so ist so als junger Kerl: man will die Welt sehen. Schweden, Schweiz, Spanien, Benelux – das ganze Programm. Deswegen habe ich bei der Spedition MANN gekündigt“, lacht er.

Er heuerte bei einer anderen Firma im Westerwald an, die für den Lkw-Hersteller Scania Neufahrzeuge auf Spezialtiefladern beförderte und europaweit verteilte. „Das war eine schöne Arbeit. Doch man wird älter, zwischenzeitlich sind Beziehungen durch das ständige Wegsein kaputtgegangen – da habe ich zu mir gesagt: ‚Pass mal auf, Maik, das hast du nun lange genug gemacht, jetzt gehst du wieder in den Nahverkehr.‘“

Den Brennstoff im Westerwald vollelektrisch auszuliefern, ist Alltag bei den WWP.

Gesagt, getan, er erinnerte sich an Speditionschef Thomas Mann, Bruder des WWP-Inhabers Markus Mann, schrieb ihn über „Facebook“ an: „Sucht Ihr noch Fahrer?“ Kurz darauf saß er für drei Monate wieder für die Spedition MANN hinter dem Steuer. Allerdings kam es vor, dass er dabei doch wieder weiter als gewünscht von zu Hause weg war – deswegen wechselte der Westerwälder zu Thomas Manns Bruder Markus und seinen „Westerwälder Holzpellets“ (WWP). „Und nun bin ich da acht Jahre – wie die Zeit vergeht!“

Anfangs hat Maik Christ dort Sägemehl für die Pelletproduktion geholt, anschließend Palettenware ausgefahren, also Westerwälder Holzpellets in Säcken. Doch bald kam sein neuer Chef zu ihm: „Du wärest auch der richtige Fahrer für ein Silo-Auto.“ Er ließ sich zeigen, was dabei gefordert ist, „jetzt mache ich das ebenfalls schon wieder seit viereinhalb Jahren.“

Maik Christ, das zeigt dieser Blick auf dessen Lebenslauf, ist also einer, der sich im Güterkraftverkehr wirklich auskennt, langjährige Erfahrung von Hunderttausenden Kilometern mitbringt. Dem elektrischen Antrieb kann der Routinier – betrachtet er neben der klimaschonenden Auswirkung der Lkw-Elektromobilität deren Alltagstauglichkeit – viel Positives abgewinnen: „Das ist pure Kraft – wenn du sie brauchst. In die Ecken rein, rückwärts rangieren: das kannst du mit dem elektrischen zentimetergenau machen! Ein Verbrenner, der fängt schon mal an zu springen wegen seiner Kupplung. Hierbei kannst du so fein dosieren alles an Kraft – das macht Spaß!“, urteilt der Kenner.

Ein automatisches Zwölfganggetriebe verteile die Kraft des „Volvo FH“. „Ich habe hier im Grunde das gleich drin, wie im Verbrenner. Aber man muss schon aufs Display gucken, um zu merken: jetzt bin ich im zehnten.“ Man spüre nicht, freut sich Christ, wenn der elektrische Lkw schalte. „Durch das enorm hohe Drehmoment des elektrischen Antriebs“, so der Fachmann. „Du kommst abends auch irgendwie entspannter nach Hause. Das ist wirklich so. Das Fahren ist ausgeglichener.“

Vielleicht liegt das unter anderem daran, dass Maik Christ, nach all den Jahren Diesel-Erfahrung, seine Fahrweise angepasst hat: Kommt er beispielsweise auf eine rote Ampel zu, gehe er eher vom „Gas“, denn dann rekuperiert der „Volvo FH“, die Bewegungsenergie wird also umgewandelt und als elektrische wieder in die Batterie eingeladen, während der Lkw dabei langsamer wird, ohne die Bremse zu betätigen. „Man fährt deswegen vorausschauender“, meint der WWP-Mitarbeiter. „Das mit den elektrischen Lkw, das ist schon geil! Eine tolle Technik, die mich verblüfft.“

Bis zu 300 Kilometer Reichweite bietet so ein Fahrzeug. Mit einem entsprechend starken Gleichstrom-Lader kann er in zwei Stunden wieder voll sein – die Nacht bis zum nächsten Arbeitsbeginn reicht also immer „dicke.“

„Klar: Wir mussten zunächst ja alle lernen“, unterstreicht Maik Christ auf dem Weg nach Herschbach, wo zehn Tonnen Westerwälder Holzpellets gewünscht sind. „Der Disponent, der Fahrer, wir mussten am Anfang besonders viel miteinander sprechen, schauen, was verbraucht man an Strom auf welcher Strecke? Wo laden wir unterwegs nach, wenn es, aufgrund einer weiter entfernten Abladestelle wie zum Beispiel dem WWP-Pelletheizhaus bei den Stadtwerken Düsseldorf (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), einmal nötig wird?“

Auch der Nebenantrieb für den Kompressor, der die Pellets mittels Überdruck aus dem Siloauflieger befördert, bekommt seine Energie aus den Lkw-Akkus.

Das Wichtigste dabei sei der Platz, so der Fachmann, um sein Gefährt an einer Ladesäule sicher abstellen zu können, das eben erheblich größere Ausmaße hat als ein E-Pkw. „Deswegen funktionieren viele Ladepunkte für Pkw nicht.“ Lasse es sich nicht anders bewerkstelligen, sei er allerdings schon an räumlich beengteren Ladesäulen gewesen. „Dann habe ich vorher abgesattelt (Anm. d. Red.: den Auflieger zuvor von der Zugmaschine getrennt abgestellt), das ist ja auch kein Problem.“

Nicht selten produziere sein hochmodernes Arbeitsgerät Erstaunen. Mancher Pkw-Fahrer habe ihn, während Maik Christ seinen „Volvo“ an eine öffentliche Ladesäule gehängt hatte, schon gefragt, ob er nicht gefälligst anderswo Pause machen könne… „Und die bemerken plötzlich: da ist ja ein Kabel drin!“, schmunzelt Maik Christ. „Wie, der fährt elektrisch?“ Diesen Satz höre er in solchen Momenten vielfach. Es gebe etliche Zeitgenossen, denen noch überhaupt nicht klar sei, dass Lastkraftwagen ebenfalls längst komplett elektrisch mit Grünstrom unterwegs sein können. „Was meinst du, was manches Mal für Menschentrauben um mich herumstehen!“, fügt der Westerwälder hinzu. „Die fotografieren, fragen nach vielen Details, haben das noch nie gesehen, wie ein Lkw an der Ladesäule steht.“

In der Regel aber wird der WWP-Sattelschlepper an eigenen Ladesäulen des Energielieferanten in Langenbach bei Kirburg geladen (siehe Seite 7). „Normalerweise reicht eine Akkuladung für einen ganzen Arbeitstag, an dem ich Pellets ausliefere.“ Im Schnitt steuere er drei, vier Kunden an, „ganz normal, wie beim Diesel.“

Bei einem dieser Kunden, dem Zehn-Tonnen-Besteller in Herschbach, ist Maik Christ nun angekommen. Wieder inspiziert er, was zur Qualitätssicherung der hohen „ENplus“-Norm der Westerwälder Holzpellets zwingend ist, zunächst das Pelletlager, montiert Schläuche für das Einblasen und startet den Vorgang. Der Immobilienbesitzer guckt neugierig, mit welchem ihm neuen Fahrzeug der WWP-Mitarbeiter da vorgefahren ist und nutzt die Dauer des Einblasens für einige Fragen dazu.

„Ich find‘ das so genial“, freut Maik Christ sich, nachdem die Lieferung in Herschbach ebenfalls erledigt, er mittlerweile auf dem kurzen Weg zum dritten Kunden in Dierdorf ist, „man hört echt nur noch den Wind an den Außenspiegeln.“ Nochmal zurück auf einen Lkw mit Dieselantrieb? „Nee, das wollte ich jetzt nicht mehr“, schüttelt der sympathische Fahrer entschlossen den Kopf. Privat ist der erfahrene Lkw-Lenker inzwischen ebenfalls nur noch elektrisch unterwegs, in einem „BMW I3“. Mit dem, sagt er zum Schluss noch, sei er schon im Urlaub in Österreich gewesen.

Uwe Schmalenbach

Buntes Symbol einer neuen Projektidee

Grün also. Jörg Thielmann hat sich für eine der vielen bereitstehenden Farben entschieden – und pinselt sich damit erst einmal üppig die rechte Hand ein. Wie viele Mitarbeiter der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und von „MANN Naturenergie“ beteiligt er sich, so vorbereitet, am Rande des des diesjährigen Sommerfestes daran, ein besonderes Kunstwerk entstehen zu lassen, das die Belegschaft der Westerwälder Unternehmen ihrem Chef Markus Mann schenken möchte und das einen bemerkenswerten Hintergrund hat.

Das Bild im Eingangsbereich der WWP.

Die „farbige Szene“ liegt nun schon ein paar Wochen zurück, und nun hat das Ergebnis der „künstlerischen Arbeit“ von Thielmann und Kollegen seinen würdigen Platz im Foyer des Verwaltungsgebäudes von „MANN Naturenergie“ und WWP gefunden: Entstanden ist ein Bild auf Leinwand, auf dem sich viele Betriebsangehörige mit einem bunten Handabdruck verewigt haben. Die zugehörigen Namen stehen daneben.

Die Idee zum Objekt entstand, als Firmenchef Markus Mann und sein Prokurist Daniel Rahn im Sommer 2019 „Schmidt Leisten“ in Dickendorf besuchten. Denn zukünftig würden die Langenbacher gerne für dieses ebenfalls regional verhaftete Unternehmen arbeiten wollen – und für Schmidt eben genau solche Leisten herstellen und liefern wollen, wie sie nun von dort gekommen und benutzt worden sind, um einen Bilderrahmen für die Handabdrücke auf dem Sommerfest zusammenzubauen!

Denn in den bevorstehenden Monaten entstehen am WWP-Firmensitz in Langenbach ein neues Hobelwerk und eine Keilzinkanlage. Damit kann die Veredelungstiefe der im WWP-Sägewerk aus Rundholz gefertigten Produkte weiter erhöht werden.

Das Handabdrücke-Bild ist somit in gewisser Weise nicht nur ein Dankeschön der MANN- und WWP-Leute an ihren Chef, sondern zugleich ein herrlich buntes Symbol für die neue Projektidee.

„Bewundernswert, was hier alles passiert“

Die Pelletheizung von Familie Velten wird in diesen Tagen gerade erst eingebaut. Sie löst eine alte Ölfeuerung ab. Derweil sind Veltens zum Besuchertag von „MANN Naturenergie“ und den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) nach Langenbach bei Kirburg gefahren: „Wir wollten mal gucken, wo die Dinger herkommen und wie die Pellets für so eine Heizung entstehen“, erzählt das Ehepaar aus Montabaur. „Richtig interessant“ sei deswegen die beim Besuchertag angebotene Betriebsführung, findet Frau Velten.

Auffallend viele Besucher nutzen die Gelegenheit, bei einer der stündlich startenden Betriebsführungen dabei zu sein.

„Wie lang darf das Holz sein, das Sie sägen können?“ „Wie viele Bretter haben Sie abends zusammen?“ „Wie oft wechseln Sie das Sägeblatt?“ „Wie wird im Kraftwerk aus Dampf Strom?“ „Wie viele Pellets werden in einem Jahr gepresst?“ Die Teilnehmer der Rundgänge entlang der Rundholzsortierung, ins SEO-Sägewerk, zu den Pelletpressen oder dem Großspeicher sind wirklich ausgesprochen interessiert, nutzen das breite Informationsangebot ausgiebig und diskutieren mit dem jeweiligen Führer zudem viele Fragen, die sie unmittelbar selbst „im Kleinen“ betreffen, doch ebenso globale Aspekte der Energieversorgung.

Manches wissen die Besucher bereits, anderes überrascht sie. „Für wie viele Jahre Holz lagert hier?“, möchte zum Beispiel eine Frau wissen, während sie mit einer der Gruppen über den Rundholzplatz läuft, auf dem Abschnitte von Baumstämmen, nach Größen sortiert, zu Poltern aufgestapelt worden sind. Die Antwort erstaunt die Fragestellerin dann doch: „Der Vorrat hier reicht nur für acht Tage“, erläutert Jan-Philipp Alhäuser schmunzelnd und deutet auf die mächtigen Holzstöße.

Die Drexlerei Robert Manns anno 1910, das kleine Fuhrunternehmen von Emil Mann, gegründet 1925, die erste rheinland-pfälzische Windkraftanlage, die in Langenbach 1991 aufgestellt wurde, die erste großtechnische Pelletproduktion der Republik 2001: „Wir haben uns immer wieder angepasst“, schildert Daniel Rahn, der ebenfalls während des Besuchertags mit Gruppen auf dem Firmengelände unterwegs ist und währenddessen diese sowie andere Entwicklungsschritte von MANN und WWP skizziert.

„Julia“ zieht unermüdlich Gäste über das Firmengelände.

Schnell wird den Besuchern klar: Der Wandel gehört in Langenbach zum Alltag, ist quasi selbst dann in vollem Gang, während Rahn ihnen die Späne zu Pellets formenden Matrizen erklärt, sie einen Blick in den Bandtrockner werfen lässt oder ihnen die Arbeitsweise der Holzbagger zeigt, die 120.000 Festmeter im Jahr befördern müssen. „Damit man eine etwas greifbarere Vorstellung hat: Das sind 15 bis 20 Holz-Lkw jeden Tag“, verdeutlicht Rahn, der Prokurist und Projektingenieur bei dem Westerwälder Unternehmen ist.

Die Pläne zu zukünftigen Vorhaben des Energieversorgers in Langenbach sprechen die Menschen sehr an, die zum Besuchertag gekommen sind. Ein neues Hobelwerk werde als nächstes gebaut, verrät Daniel Rahn ihnen, zudem eine Keilzinkanlage: die zugehörige Baugrube ist auf dem Rundgang bereits auszumachen. Ebenfalls zeigen Farbmarkierungen auf dem Boden, wo neben die vorhandene Sägelinie in den nächsten Monaten eine zweite mit einer Bandsäge gebaut werden wird: „Die haben wir deswegen gekauft, um zukünftig flexibler zu sein.“, sagt Daniel Rahn und nimmt die Besucher nicht nur räumlich mit zur nächsten Station, sondern gedanklich weiter in die Zukunft des Unternehmens, in dem er tätig ist. „Die neue Säge schafft sogar Meter-Stämme – da werden wir ganz wenige hierher bekommen, aber bis zu einem Meter Durchmesser kann man mit der Blockbandsäge aufschneiden und aus den Bohlen Bretter machen“, beschreibt der Projektingenieur. „Das hat den Hintergrund, dass wir offen sein wollen für unsere Lieferanten: Der Förster oder Waldbesitzer muss dann nicht schwer im Wald sortieren. Wir wollen ihm sagen können: ‚Liefer uns alles an, ganz egal, wir sortieren uns das hier.‘“

Die WWP sind ein stromintensives Unternehmen, das wird gleichermaßen deutlich auf dem Rundgang; am meisten Energie benötigen die Pelletpressen. Selbst bei der Herstellung dieses umweltfreundlichen Brennstoffs gibt es sogenannte „Veredelungsverluste“, sie betragen zwei Prozent. Bei Öl und Gas hingegen liegen diese Einbußen mit zehn bis zwölf Prozent deutlich höher. „Wir brauchen viel Strom“, bestätigt Daniel Rahn, „der gesamte Standort in Langenbach hat im Jahr einen Bedarf von neun Millionen Kilowattstunden (kWh).“ Die Führungsteilnehmer erfahren, dass das eigene Biomasse-Kraftwerk davon fünf Millionen liefere. 1.000 Kilowatt (kW) Leistung kommen laut Rahn zusätzlich aus den zahlreichen Photovoltaikanlagen auf Hallendächern oder an den Pelletsilos und noch einmal 2.500 kW Leistung stammen aus Windstrom.

Das Ehepaar Velten bekommt gerade eine neue Pelletheizung – und sieht sich in Langenbach an, wie der Brennstoff dafür hergestellt wird. Fotos: Schmalenbach

Auch Malms nutzen Strom aus Langenbach. „Wir sind hier Strom-Kunde, schon seit bestimmt 15 Jahren“, schildert das Ehepaar. „Sehr zufrieden“ sei es mit seinem Stromversorger MANN: „Die sind immer ansprechbar hier, man ruft an, hat gleich jemanden an der Strippe, und der kümmert sich auch.“ Für das Paar aus der Verbandsgemeinde Wallmerod sei es „auf jeden Fall“ sehr wichtig, selbst nur Ökostrom zu nutzen. „Es geht uns ums Klima und die Natur“, betonen Malms, „wir haben selbst eine PV-Anlage auf dem Dach.“ Die beiden sind zum ersten Mal auf einem Besuchertag in Langenbach und finden ihn „sehr interessant“.

Die häufigste am dort aufgebauten Stand der Abteilung E-Mobilität angesprochene Thematik sei die Frage nach bidirektionalem Laden, berichtet Markus Langenbach, der die technische Leitung des „E-Mob-Teams“ bei „MANN Naturenergie“ inne hat. „Ob wir Wallboxen anbieten, die bidirektionales Laden können, wann die Politik bei dem Thema ‚aus dem Quark kommt‘ – diese Punkte beschäftigen die meisten Besucher, die heute an unserem Stand gewesen sind. Etliche haben sich dafür interessiert, wie es technisch funktioniere, Lkw zu laden oder wo der Unterschied beim Laden eines Lkw und eines Pkw liegt. Und einige“, schmunzelt Markus Langenbach, „wollen wissen, wie hoch der Stromtarif ist – sie können ja nicht erkennen, dass ich in dem Bereich nicht tätig bin. Diese Besucher bringe ich dann rüber zum Volker und zur Sema.“

Volker und Sema, das sind Langenbachs Kollegen Volker Schmidt und Sema Dercin. Die beiden MANN-Mitarbeiter haben ebenfalls einen eigenen Stand. Er befindet sich in der „Halle 1“, in der auch die historische Werkstatt untergebracht ist, die am Besuchertag natürlich durchgängig in Betrieb und dampfgetrieben ist.

„Bei uns war ein Hauptthema heute die Frage von Bestandskunden nach der künftigen Entwicklung des Strompreises“, führt Sema Dercin aus, was für Anliegen an sie und Schmidt herangetragen worden seien. „Hier haben wir die gute Nachricht, dass die Tendenz in Richtung einer Preisminderung in 2024 zeigt“, so die Fachfrau. Ebenso seien etliche Menschen an ihrem Stand gewesen, die bislang ihren Strom von einem Großversorger beziehen „und weniger wegen des Preises, sondern wegen der begleitenden Dienstleistung unzufrieden sind und über einen Wechsel zu uns nachdenken. Es störe sie demnach, dass sie nicht ihre konkreten Ansprechpartner haben, anonym im Callcenter landen. Und einige unserer Bestandskunden, die vorher schon einmal mit uns telefoniert haben, fanden es einfach schön, heute unsere Gesichter ‚live‘ zu sehen“, zwinkert Dercin. Es sei vielen „MANN Strom“-Kunden offenbar wichtig, dass das Persönliche erhalten geblieben ist und nicht „outgesourced“ werde. „Ganz viele Menschen sagen uns, dass sie so froh seien, uns als ihre festen Gesprächspartner zu haben, mit denen man reden kann – manches Mal sogar über Sorgen des Alltags, die nicht unbedingt mit Strom zu tun haben.“

Draußen, nicht weit von der „Halle 1“ entfernt, bestaunt Matteo unterdessen mit großen Augen die Umstapelanlage, bei der ein rotierender Besen unaufhörlich automatisch Zwischenleisten aus Bretterstapeln fegt. Als nächstes allerdings möchte der Dreijährige aber erst einmal eine Runde mit „Julia“ drehen, jener 18 Tonnen schweren Dampfmaschine aus dem Jahr 1924, die laut schnaufend den ganzen Besuchertag hindurch über das Firmengelände rumpelt. Vater Dennis und Mutter Jeannette Pauschert steigen mit ihrem Sohn gerne zu.

„Wir sind heute dabei, weil wir den Betrieb näher kennenlernen möchten, schauen wollen, was es hier an Neuerungen gibt – und einfach einen schönen Tag haben“, verdeutlicht Vater Dennis. Seine Familie sei vor Jahren zwar schon einmal bei einem „Tag der offenen Tür“ von MANN und WWP gewesen, „aber es sind ja viele Dinge neu hinzugekommen. Und für den Kleinen ist das hier ohnehin interessant.“ Ein schriller Pfiff, ein kleiner Ruck – und „Julia“ fährt mit Dennis, Jeanette und Matteo Pauschert davon.

Zum Ende des gelungenen Besuchertags sinkt die Sonne allmählich hinter den Elektro-LKW der WWP zum Horizont hinab.

„Ich bekomme von denen meinen Pellets“, sagt Martin Demuth zur Begründung, warum auch er sich auf den Weg nach Langenbach gemacht hat, um erstmals beim „Besuchertag“ dabei zu sein. „Super“ sei er mit dem Heizen mit Westerwälder Holzpellets zufrieden, erklärt der Interessierte aus Roßbach, „wegen der Qualität. Und ich hätte nicht gedacht, dass so viel Innovation in dem ganzen Betrieb hier liegt“, ergänzt der Roßbacher während einer der Betriebsführungen. „Ich finde auch die E-Lkw, mit denen Pellets jetzt geliefert werden, super. Das ist wirklich bewundernswert, was hier alles passiert.“

Uwe Schmalenbach

Projekte gesucht

Viel momentan ungenutzter Platz: Die „Wäller Energie eG“ möchte diese Kranstellfläche an ihrem 3,2-Megawatt-Windrad auf der Friedewälder Höhe verwenden, um darauf Photovoltaik-Module zu installieren. Das ist ihr derzeit einziges konkretes Vorhaben.

Dabei: In den drei im Westerwald aktiven Bürgerenergie-Gruppierungen „Wäller Energie eG“, AEKS und „maxwäll Energie-Genossenschaft“ beteiligen sich schon gut 1.000 Wäller – aber noch mehr Bürger der Region würden gerne mitmachen! Und so mithelfen, die Energieversorgung in ihrer Heimat ökologisch und mit größerer Bürgerbeteiligung umzubauen. Es existieren sogar Wartelisten von Menschen, die in eine der Genossenschaften eintreten wollen. Warum aber gibt es dann nicht mehr entsprechende Projekte?

Hier ist selbst der Motorenlärm „elektrisch“

Der Sound täuscht: Wenn Mitarbeiter der „ring°kartbahn“ am Nürburgring den Drehschalter an der linken Seite der schwarzen Gokarts betätigen und die Vehikel dadurch abfahrbereit machen, „blubbert“ Motoren- Lärm los. Der allerdings wird lediglich elektronisch erzeugt, denn die Karts werden von zwei Permanentmagnet-Motoren angetrieben, mithin vollelektrisch. Deswegen ist es auch kein Widerspruch, dass die grundsätzlich auf Umweltschutz bedachten Schwesterfirmen „MANN Energie“ und „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) ihr Teamevent in der Hocheifel auf der Kartbahn ausklingen lassen.

Etwa 25 Sekunden dauert es, bis ein (schneller) Fahrer den Rundkurs der „ring°kartbahn“ zurückgelegt hat.

Sechs Kurven rechts-, vier Kurven linksherum; insgesamt ist die Strecke 400 Meter lang, die Gerade misst 80. Dort können die Karts durchaus 50 „Sachen“ erreichen. Neun PS haben sie dazu „unter der Haube“, je nach gefahrener Geschwindigkeit müssen die Fahrzeuge nach 30 bis 45 Minuten wieder an ihr Ladekabel, ehe der Akku komplett leer ist. Bereits vor elf Jahren wurden die ersten Elektro-Karts auf der „ring°kartbahn“ in Betrieb genommen. Nach Theorie, Praxis und einigen schwierigen Aufgaben am Steuer im nicht weit entfernten „Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring“ (siehe „Auslöser aller Probleme ist die Geschwindigkeit“) geht es für die beim Westerwälder Energieversorger Tätigen hier nur um die Freude, gemeinsam ein paar Runden zu drehen.

Schnell sind alle im „Rennfieber“. Nach einer Einweisung dürfen sie auf den Rundkurs. Jeder kann einen Trainingslauf absolvieren, danach wird die Zeit in einer Qualifikationsrunde gespeichert, und die Fahrer werden nach den gemessenen Zeiten in homogene Renngruppen aufgeteilt. So entstehen vier Gruppen, alle fahren abschließend ein Rennen. Jede dieser drei „Sessions“ dauert zehn Minuten. Sind die verstrichen, schwenkt ein Streckenposten eine rote Fahne. Die steht für „Session beendet“, zurück in die Boxengasse, wo die E-Karts sofort wieder an von der Decke herabhängende Ladekabel angeschlossen werden.

Die rote Fahne zeigt das Ende einer Session an.

Laden anstelle zu tanken ist für die aus dem Westerwald zur Rennbahn Gereisten gleichwohl nichts Ungewöhnliches mehr. Denn die 26 Fahrzeuge, mit denen sie nach dem auf der Kartbahn für sie ausgerichteten Grand Prix in die Heimat zurück fahren, sind schließlich ebenso Elektromobile wie die kleinen Minirennwagen am Nürburgring.

„Mit 33 ist die Sache erledigt“

Klaus ist einer der drei Instruktoren, die sich den ganzen Tag über ausgesprochen engagiert um die Besucher aus dem Westerwald kümmern. Mit ihm sprach Uwe Schmalenbach über die Ziele, die er mit seiner Arbeit verfolgt.

Mit bemerkenswerter Ausdauer und Geduld gibt Instruktor Klaus den Fahrern Hinweise per Funk. Fotos: Schmalenbach

Am Ende geht es doch bei allen Übungen heute im Grunde um eine Erkenntnis: Die Fahrphysik hat trotz aller elektronischen Helfer immer noch ihre Grenzen, weil die Haftung auf der Fahrbahn endlich ist und Seitenführungskräfte immer in Konkurrenz zu anderen Kräften stehen. Das hat sich, trotz aller Assistenzsysteme, noch immer nicht geändert und ist im Grunde wie einst beim VW „Käfer“, richtig?

Als wir beide früher Autofahren lernten, waren das völlig „nackte“ Fahrzeuge. Wir mussten noch ein gutes Gefühl im rechten Fuß haben. Wenn du ein gebremstes Ausweichen fahren wolltest, musstest du natürlich die Bremse lösen, um lenken zu können. Das ist heute dank ABS anders – ein riesiger Vorteil. Ich kann maximal auf der Bremse verzögern, das Auto bleibt – ich sage bewusst: bedingt – lenkbar. Aber wenn ich das Auto „überlenke“ auf der Bremse, muss das ABS erst einmal ein Stück die Bremsleistung zurücknehmen, um das Lenken zu ermöglichen. Und das wird nachher bei einer Übung noch eine spannende Geschichte werden, zumal wir auf einer Fläche unterwegs sein werden, die noch etwa zehn Prozent Haftung aufweist, was in etwa einer festgefahrenen Schneedecke nahekommt.

Du hast vergangene Zeiten angesprochen. Da lernte man im Sicherheitstraining noch, dass es beim Ausbrechen des Autos hilfreich ist, auszukuppeln. Das geht mit Elektroautos nicht mehr. Gibt es sonst sicherheitsrelevante Unterschiede zwischen „klassischem“ Pkw und einem E-Mobil?

Natürlich kann es unter Umständen hilfreich sein, wenn ich auskuppele. Dann habe ich das Schleppmoment des Motors ein Stück weit ausgeschaltet.

Also ist ein Elektroauto hier im Nachteil, weil das nicht geht?

Im Automatiksektor haben wir ebenso keine Möglichkeit, auszukuppeln! Aber die Teilnehmer heute sind mit ihren Elektroautos auch ohne Kupplung in der Lage, ein Fahrzeug abzufangen. Ohnehin haben die meisten Autofahrer nicht auf dem Schirm, was man alles beachten kann in Extremsituationen. Du darfst eines nicht vergessen: es sind Wimpernschläge an Zeit, in denen sich ein Über- oder Untersteuern ankündigt. Ob ein Fahrer da noch ans Auskuppeln denkt… Er wird wahrscheinlich damit beschäftigt sein, an der Lenkung zu arbeiten. Dabei wäre, im Schaltwagen wie dem Elektroauto, aber ein Tipp wichtig: Immer dahin schauen, wo ich hinfahren will. Der Hintergrund ist, ich lenke auch dahin, wo ich hingucke!

Der erfahrene Ausbilder wünscht sich, dass auch Fahrer modernster E-Autos berücksichtigen, dass die Grenzen der Physik selbst von den besten Assistenzsystemen nicht überschritten werden können.

Wie bist du persönlich eigentlich zum Fahrsicherheitstraining gekommen – du bist schon länger als zwei Jahrzehnte dabei, richtig?

Ja. Ich habe in jungen Jahren eine klassische Ausbildung als Kfz-Mechaniker absolviert, danach eine Meisterprüfung gemacht, war zehn Jahre in der Aus- und Weiterbildung für die DEKRA unterwegs (Anm. d. Red.: eine Sachverständigenorganisation im Bereich Prüfung und Zertifizierung, die auch die Pkw-Hauptuntersuchung anbietet). Dann hat meine jüngste Tochter eines Tages gesagt: „Mensch, Papa, mach‘ doch das, was du kannst: Autofahren! Da oben am ‚Nürburgring‘ ist doch so ein Zentrum – vielleicht suchen die jemanden.“

Was passierte dann?

Ich habe die Anregung meiner Tochter tatsächlich aufgegriffen, bin hier vorbeigefahren, das Fahrsicherheitszentrum lag auf meinem Nachhauseweg. Ich habe gefragt, ob sie Bedarf an Personal hätten. Zufällig war es ein Zeitpunkt, zu dem die Antwort „ja“ lautete! Ich habe eine Bewerbungsmappe abgegeben, und nachdem die gut ankam, wurde ich, mit zehn anderen Bewerbern, darunter einige aus dem professionellen Rallyesport, zu einer Sichtung eingeladen. Ich konnte mich durchsetzen und habe hier so meine Ausbildung machen können.

Was ist dein Ziel heute, was sollen die Teilnehmer von „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und „MANN Naturenergie“ am Abend an Erkenntnis mit in den Westerwald mitnehmen?

Die Teilnehmer sollten aus meiner Sicht zwei Dinge mit nach Hause nehmen: Erstens „Der Tag hat mir Spaß gemacht“. Und ich bin zufrieden, wenn sie zweitens außerdem mitnehmen, wie wichtig der Faktor Reifen sowie die Geschwindigkeit ist – wir haben das gesehen (Anm. d. Red.: siehe „Auslöser aller Probleme ist die Geschwindigkeit“): 30 in der Kurve gehen, mit 33 ist die Sache erledigt.

Auslöser aller Probleme ist die Geschwindigkeit

„Wir machen das hier heute alles in einem motorsportlichen Du – einverstanden?“ Nicken ringsum. Bei der morgendlichen Begrüßung und Einweisung aller Teilnehmer im „Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring“ signalisiert Instruktor Klaus bereits: das wird – wenngleich ebenso etwas gelernt werden soll – ein lockerer, vergnüglicher Tag. 30 Mitarbeiter von „MANN Naturenergie“ und den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) sind zu diesem Teamevent frühmorgens mit 26 vollelektrischen Pkw vom Westerwald aus in die Hocheifel gestartet.

Mit dem E-„Volvo“ sind der „smart“ und ein älterer „I3“ zur Rennstrecke gebracht worden – ebenfalls vollelektrisch. Foto: Demirel

Wobei: Nicht alle haben ihre Autos selbst bis zur berühmten Rennstrecke gesteuert. Ein zur inzwischen auf 45 E-Mobile angewachsenen Flotte elektrischer Firmenfahrzeuge gehörender „smart fortwo passion ed“ ist eigentlich nur für „Fahrten um den eigenen Kirchturm“ konstruiert und angeschafft worden. Und damit dessen vergleichsweise kleine Batterie im Fahrsicherheitszentrum noch genug „Saft“ für die dort zu absolvierenden Übungen hat, wird er, zusammen mit einem in die Jahre gekommenen BMW I3, „huckepack“ auf einem Tieflader zum Nürburgring geschafft. Der Tieflader wird dabei jedoch vom elektrischen „Volvo“ der WWP gezogen – der sonst Pellets ausliefert und ebenfalls mit 100 Prozent Ökostrom „getankt“ wird (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).

„Genau darum geht es uns ja“, erklärt Markus Mann später bei der Mittagspause zwischen verschiedenen Parcours, die er und die anderen Teilnehmer in den E-Autos absolvieren müssen: „Wir wollten den Fußabdruck unserer Mitarbeiter bei MANN und WWP mit den Elektro-Wagen reduzieren. Unsere Pellets zum Beispiel haben eine Bilanz von weniger als elf Kilogramm CO2 pro Tonne. Dadurch, dass unsere MANNschaft klimaneutral zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause fährt, verbessert sich die Gesamtbilanz natürlich zusätzlich. Aber wir möchten auch, dass alle heile ankommen in einem immer komplizierteren Straßenverkehr. Darum sind wir heute hier, der Tag ist für die Mitmachenden selbstverständlich kostenlos. Na, und Spaß haben wollen wir auch zusammen!“, lacht Mann.

Wie schnell es im Fahrsicherheitszentrum wirklich „richtig spaßig“ wird, hatten die in drei Gruppen aufgeteilten Teilnehmer gewiss nicht von Anfang an erwartet. Instruktor Klaus führt seine „Gruppe 3“ zu einem auf den ersten Blick „normal“ aussehenden „Skoda“. Doch der ist ein besonderes Auto: Er kann nur gefahren werden, wenn vorne und hinten je zwei Personen Platz nehmen – und richtig gut zusammenarbeiten! Denn der eigentliche Fahrer bedient lediglich Lenkrad und Schaltung. Ein Mitfahrer kuppelt, ein anderer gibt Gas, der vierte bremst. Und selbstverständlich geht es nicht allein darum, vom Fleck zu kommen! Vielmehr muss ein Slalom-Parcours absolviert werden, das ganze gleich zweimal mit vertauschten Rollen und außerdem auf Zeit…

So, wie auch auf der Straße aus Spaß unerwartet schnell Ernst werden kann, ist anschließend volle Konzentration beim Kurvenfahren auf einem rutschigen Untergrund gefragt, der im realen Leben etwa plötzlich hinter der nächsten Kurve im Wald auftauchen könnte.

„Die Lenktechnik ist entscheidend; wir versuchen immer, mit der kurvenäußeren Hand zu schieben, nicht reinzugreifen, nicht an der Lenkung zu reißen, sondern wirklich gefühlvoll schieben anstatt zu ziehen“: Während des ganzen Tages leitet Instruktor Klaus, ebenso wie seine beiden Kollegen Alex und Hubert, die ihrerseits je eine Teilnehmergruppe betreuen, die WWP- und MANN-Mitarbeiter über ein Funkgerät an, das jeder in sein Elektroauto bekommen hat. „Die Blicktechnik ist ebenfalls entscheidend beim Kurvenfahren“, knackst es da schon wieder aus dem Gerät, das Ramon und Patrick in ihrem gemeinsam genutzten Pkw dabei haben. „Schaut bitte immer dorthin, wo ihr hinfahren wollt!“, rät Klaus.

Auch zur richtigen Sitzposition informiert Instruktor Klaus.

Es geht um die Funktion des Stabilisierungsprogramms ESP in der Kurve, das alle modernen Autos haben, um die maximale Verzögerung, falls man das Auto doch einmal vor dem Kurvenausgang „verliere“ und viele Details mehr. Klaus ist ein super Typ, wie man so sagt, und vor allem ein geschickter Moderator (siehe auch Seite 7). So schafft er es, dass alle den ganzen Tag aufmerksam zuhören, konzentriert üben und weiterhin eine fröhliche Stimmung herrscht, obwohl es hier eben auch um Wissensvermittlung und einige Theorie geht.

„Wenn du den Leuten das so schilderst und du sagst: ‚Fährst du zwei schneller – dann bist du weg‘, dann siehst du, was in den Köpfen vorgeht: ‚Lass den alten Mann mal schwätzen – ich werde dem gleich mal zeigen, wo die Glocken hängen!‘“, schmunzelt Klaus. „Dann fährt er mit 30 rein, und bei 32 ist er draußen…“ Mit einer ihm eigenen, erfrischenden und kurzweiligen Art, verdeutlicht der Instruktor seiner Gruppe aus dem MANN-/WWP-Team, dass es auf der glatten Kreisbahn mit Bedacht zugehen sollte. Durch die sollen alle ihr Gefährt steuern – möglichst ohne nach außen getragen zu werden, wo im wahren Leben ein gefährliches Hindernis das jähe Ende der Fahrt bedeuten würde.

Und tatsächlich hat Klaus komplett Recht: 24,8 km/h, 27,1 km/h zeigt ein großes LED-Display in roten Ziffern die gefahrene Geschwindigkeit des jeweiligen Autos an – sehr langsam für unsere alltäglichen Verhältnisse also, und trotzdem geht es für einige schon bei diesem moderaten Tempo im wahrsten Wortsinn „rund“…

Obwohl insbesondere der zu weitesten Teilen in Rheinland-Pfalz liegende Mittelrhein bekanntlich von einem weltweit einmaligen Burgenreichtum gesäumt wird, ist die einst als „Noureburg“ errichtete Wehranlage etwas Besonderes, nämlich die mit 678 Metern höchstgelegene des Bundeslandes. Das auf einem Basaltkegel erbaute Bollwerk gab dem Ort Nürburg seinen Namen, mit dem Motorsportfans im In- und Ausland aber ganz gewiss vor allem eine beinahe 100-jährige Rennsportgeschichte verknüpfen. 1927 wurde der „Nürburgring“ unweit der Burg errichtet, seine legendäre „Nordschleife“ ist bis heute eine der anspruchsvollsten Rennstrecken weltweit.

Bei Klaus und seiner Gruppe geht es derweil aber gerade nicht um die Höchstgeschwindigkeiten auf dem dem Fahrsicherheitszentrum benachbarten Rundkurs – sondern ganz schlicht ums Sitzen. Sitzposition und Lenktechnik seien, so der Fachmann, für sicheres Fahren ebenfalls wichtig. „Die Hände gehören eigentlich auf die 3- und 9-Uhr-Position. Dann kann ich, ohne übergreifen zu müssen, immerhin schon einen halben Lenkeinschlag ausführen. Und ein absoluter Fauxpas ist es, ins Lenkrad hineinzugreifen!“, mahnt der Instruktor.

Das „übergreifende Lenken“ ist jedoch wenig später beim Schleudersimulator notwendig. Mit 40 km/h fahren die Teilnehmer auf eine nasse Fläche, die die rutschigen Eigenschaften festgefahrenen Schnees aufweist. An ihrem Beginn sorgt eine Vorrichtung dafür, dass das Fahrzeug aus der Bahn geworfen wird, das Heck ausbricht und der Pkw ins Schleudern gerät. Das sollen die Fahrer durch beherztes und möglichst rasches Gegenlenken abfangen. Zu welcher Seite ihr Auto bewegt wird, wissen sie vorher jedoch nicht… Einige geraten dabei mächtig in Rotation, die erst auf umgebendem Asphalt gestoppt werden kann, wenn die Räder wieder besser greifen. Mancher „ID4“ im WWP-Design dreht sich plötzlich wie der „Break Dance“ auf der Hachenburger Kirmes…

Ehe der praktische Teil beginnt, gibt es ein Gruppenfoto.

Ähnlich herausfordernd das Trainieren des gebremsten Ausweichens: Auf der speziellen Bahn tauchen plötzlich zwei Hindernisse auf – zum Glück nur in Form von spontan aus dem Boden schießenden Wasserfontänen, so dass bei einem „Zusammenstoß“ keine Schäden an Mensch oder Material entstehen. Doch im wahren Straßenverkehr könnte das ein anderes Auto sein…

„Zwei Finger breit – mehr müsst ihr hier nicht lenken, um um das Hindernis herumzukommen“, erläutert Klaus. Gleichwohl: „Je später ihr mit dem Lenken beginnt, desto stärker müsst ihr lenken – und habt entsprechend weniger Bremsleistung zur Verfügung.“ Puh, so langsam drehen sich nicht nur die Autos, sondern auch ein bisschen die Köpfe…

Wie sinnvoll es ist, sich mit derlei fahrphysikalischen Gesetzmäßigkeiten einmal ganz praktisch auseinanderzusetzen, zeigt unterdessen immer wieder der Blick auf eine der roten Tempoanzeigen am Fahrbahnrand: „Jetzt sieh dir mal an, wie lang der Bremsweg ist – über 40 Meter bei 39 km/h“, kommentiert Klaus per Funk Armins jüngsten Versuch, zu bremsen und dem Wasserhindernis gleichzeitig auszuweichen.

„Is‘ super, is‘ super!“, lautet Daniels Zwischenfazit am Ende dieser Übung auf die Frage, wie der Kurs gefalle. „Dieses kontrollierte Ausprobieren“, findet Matthias besonders gut, wie Daniel ist auch er in „Gruppe 3“ dabei.

Das „Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring“ existiert seit 1994. Zwei Gelände mit insgesamt 130.000 Quadratmetern stehen für Fahrsicherheitstrainings mit Pkw, Motorrad und Lkw/Bus zur Verfügung. Dass gleich 26 Elektroautos auf einmal hier ihre Runden drehen, ist noch eher selten…

Am Ende bedankt sich Klaus bei allen Teilnehmern aller drei Gruppen für die hohe Disziplin und stellt zufrieden fest, dass es weder Wunden noch erhebliche Schäden gebe. „Und zum Abschluss: Moderne Autos, auch mit ESP, stoßen dennoch reifentechnisch an die Grenzen der Physik. Wenn es keine Verbindung mehr nach unten gibt, dann kann das ESP ruhig noch zweimal blinken, um den Fahrer ein bisschen zu beruhigen – aber im Ergebnis kommt nichts mehr. Was der Reifen nicht kann, kann die Elektronik ebenfalls nicht mehr!“ Zustimmendes Nicken rundum, das haben heute alle selbst erfahren. „Und ich bleibe bei meiner Aussage vom Beginn“, schließt Klaus die Nachbesprechung ab: „Auslöser all unserer Probleme im Straßenverkehr ist nicht die nasse Fahrbahn, ist nicht ein schwacher Reifen, sondern Auslöser Nummer eins ist grundsätzlich die gefahrene Geschwindigkeit. Punkt.“

Nach so viel Nachdenklichkeit gibt es für die drei Schnellsten, die bei den lustigen Übungen wie im Vierer-Team-„Skoda“ vorne lagen, noch eine kleine Trophäe. Für alle gibt es Kaffee und Kuchen – und danach einen vergnüglichen Abschluss des Betriebsausflugs in die Eifel auf der ebenfalls neben der berühmten Rennstrecke gelegenenen „ring°kartbahn“.

Uwe Schmalenbach

Arbeiten nach der Sonne

Befährt man die Landesstraße 300 aus Meudt kommend in Richtung Boden, so gelangt man am Rand der zur Verbandsgemeinde Montabaur gehörenden Ortschaft in einen Kreisverkehr. Ihn überragen die Flaggen von Boden, Deutschland und Europa. Unterhalb erinnern drei Arbeitern nachempfundene Metallskulpturen an die (Ton-)Bergbautradition der Gegend. Keine 150 Meter entfernt hat die Firma „Goerg & Schneider“ ihren Sitz. Sie verwendet den im Solarpark in Wissen produzierten PV-Strom (siehe Seite 2), um damit beispielsweise Mahl- und Bandanlagen zu betreiben.

Der Bodener Kreisverkehr thematisiert den Tonabbau. Rechts dahinter ist das Firmengelände von „Goerg & Schneider“ erkennbar.

„Energie ist für uns schon immer das teuerste Gut gewesen, sowohl Strom als auch Gas“, schildert Florian Goerg, der zusammen mit seinem Vater und seiner Mutter die Geschäfte des Unternehmens führt. Dieses beschäftigt sich mit drei Bereichen: der Gewinnung und dem Verkauf von Roh-Ton, von Schamotten und keramischen Massen. Während aus dem Roh-Ton zum Beispiel Ziegel und Fliesen für ganz Europa oder keramische Produkte wie Waschbecken für unsere Badezimmer hergestellt werden, geben zugesetzte Schamotten der Sanitärkeramik Stabilität. Unter „keramische Massen“ fällt das, was wir als klassischen Ausgangsstoff für das Töpferhandwerk kennen. Sie gehen in rund 25 Länder von Dubai bis Israel. Das von „Goerg & Schneider“ vermarktete „Töpferglück“ ist ein Renner bei Kreativen im In- und Ausland und sogar über einen Werksverkauf direkt in Boden erhältlich.

Das dortige Werk existiert seit den 1950er-Jahren. Seit vier Jahren steht auf dem Gelände ebenfalls ein neues Verwaltungsgebäude und genauso lange ist Boden der Sitz von „Goerg & Schneider“. Im nächsten Jahr begeht man das 100. Firmenjubiläum.

Ursprünglich gegründet wurde „Goerg & Schneider“ von Benedikt Goerg und Alois Schneider in Siershahn. Ihren ersten großen Tagebau erschloss die Firma in Mogendorf. Sie baut Ton auch heute noch selbst ab, doch der Schwerpunkt des Unternehmens, das insgesamt an acht Standorten arbeitet, sei die Weiterverarbeitung, wie Florian Goerg erläutert, der die vierte Generation in der Unternehmensführung darstellt.

Die besagte Weiterverarbeitung braucht Energie, riesige Mengen Energie: Allein ungefähr vier Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom sind im Jahr erforderlich. Die enorme Menge von knapp 26 Millionen kWh Gas kommt hinzu!

Gas wie Strom benötigt ein circa 85 Meter langer Tunnelofen, in dem Schamotte bei über 1.200 Grad Celsius gebrannt wird. Er ist Hauptenergieverbraucher in Boden, läuft an 365 Tagen im Jahr. Denn es dauere alleine zehn Tage, diesen Ofen anzustellen. Und schneller sei er auch nicht abzukühlen, höchstens 100 Grad am Tag, ansonsten fiele die Anlage, die zu den modernsten und effizientesten ihrer Art zählt, in sich zusammen, unterstreicht Goerg.

So verwundert es nicht, wenn der Juniorchef sagt: „Wir haben uns schon vor drei, vier Jahren überlegt: Wie können wir nachhaltig Energiesicherheit für unser Haus darstellen?“ Bereits seit mehreren Jahren beziehe man Grünstrom von „MANN Naturenergie“. Auf allen Hallendächern des Unternehmens sei ein maximaler Ausbaustand an eigener Photovoltaik (PV) erreicht.

Einst wollten „Goerg & Schneider“ selbst einen Solarpark bauen und betreiben, in direkter Nachbarschaft zum Firmensitz, nachdem eine Prüfung schon 2008 ergeben hatte, dass das Unternehmen kein eigenes Windrad bauen dürfe. Sage und schreibe dreieinhalb Jahre dauerte es jedoch, bis „Goerg & Schneider“ die Genehmigung für einen geplanten eigenen Solarpark bekommen konnten. „Doch mit dieser langen Zeit kamen wir in die Bredouille: Unser damaliger Stromvertrag lief 2022 ab. Zudem fiel das zeitgleich in die Energiekrise. Mit dreieinhalb Jahren brauchen Sie nichts mehr zu planen… Deshalb mussten wir ausweichen“, beschreibt Florian Goerg. „Und man muss noch einmal betonen: Unser Geschäftszweck ist ja ohnehin die Weiterverarbeitung von keramischen Rohstoffen – nicht Aufbau eines Solarparks! Ich bin Vertriebsleiter für den Verkauf von Ton – und habe mich nun drei Jahre lang mit Energiethemen befasst“, legt Goerg die Stirn in Falten. „Bürokratie behindert die Energiewende!“, stimmt Markus Mann kritisch zu.

All diese Faktoren führten letztlich dazu, dass „Goerg & Schneider“ dem PPA, dem „Power Purchase Agreement“, mit den „Maxwäll“-Genossen (siehe Seite 2) gerne zugestimmt haben. „Wir haben damit einen Weg gefunden, wie wir uns langfristig Energiesicherheit und Nachhaltigkeit einkaufen“, freut sich Florian Goerg.

Angestrebt werde, dass der PV-Strom aus dem Solarpark Wissen bis zu 30 Prozent der jeweiligen elektrischen Last des Unternehmens decken könne. „Die Energiemenge, die uns nicht an PV-Strom zur Verfügung steht, wenn in Wissen zu wenig erzeugt wird, bekommen wir jederzeit von MANN, so dass uns das Konstrukt erlaubt, stets ausschließlich ‚grünen Strom‘ zu nutzen! MANN ist eigentlich unsere virtuelle Batterie“, ergänzt der Juniorchef.

„Goerg & Schneider“ haben jedoch nicht nur das PPA mit „Maxwäll“ und MANN geschlossen, sondern begleitend sogar Schichtpläne verschoben und Produktionsprozesse so ausgerichtet, dass ein höchstmöglicher Anteil an PV-Strom aus Wissen eingesetzt werden kann. „Wir arbeiten im Grunde nach der Sonne“, lacht Florian Goerg: Inzwischen beginne die Arbeit in Boden zu einer späteren Uhrzeit als vormals, so dass man den „Peak“, das Maximum der Sonneneinstrahlung, auf jeden Fall ausnutzen könne, wenn Ton-Mahlwerke und andere Verbraucher voll laufen.

In diesem Verschieben von Lasten, im „Lastmanagement“, sieht Markus Mann die Zukunft industrieller Energienutzung. „In dem Moment, wo Energie zu einem immer teuren Produktionsfaktor wird, wird schon allein der Markt dafür sorgen, dass die Wirtschaft dem Beispiel von ‚Goerg & Schneider‘ folgt und energieintensive Abläufe möglichst dann stattfinden lässt, wenn es besonders viel günstigen Strom aus erneuerbaren Quellen gibt“, ist der Grünstrom-Pionier überzeugt.

Rund 95 Mitarbeiter sind bei „Goerg & Schneider“ fleißig, größter Betriebsteil ist Boden. Hier werden auch 80 Prozent der gesamten Energie des Unternehmens verbraucht.

„Das ist der typische Ton“, stellt Florian Goerg bei einem Betriebsrundgang heraus und deutet auf die „Box 20“. Etwa 60 dieser haushohen Abteile gibt es in Boden, witterungsgeschützt unter Hallendächern. Darin wird Ton in verschiedenen Qualitäten bevorratet, der zuvor nach der Förderung im Werk zerkleinert worden ist. Gefördert wird täglich, je nach Tagebau fünf bis sieben verschiedene Sorten.

Aus etwa 35 verschiedenen eigenen Rohstoffen und einigen Fremdrohstoffen mischen „Goerg & Schneider“ unterschiedliche Tone für die jeweiligen Kundenbedürfnisse, verdeutlicht Florian Goerg. „Ziel der Übung ist es, eine Tonmischung herzustellen, die relativ stabil ist. Wenn wir Ton an Kunden verkaufen, ist es zu 99 Prozent eine Mischung, die aus mehreren Komponenten besteht.“ So könne man natürliche Schwankungen ausgleichen und sicherstellen, dass man selbst größere Mengen von 50.000 oder 60.000 Tonnen immer mit den selben Qualitätsparametern liefern könne.

Florian Goerg zeigt Ton aus „Box 20“.

Apropos: Im Jahr vermarktet die Westerwälder Firma alles in allem 600.000 Tonnen. Versandt wird zum Beispiel auf dem Wasserweg. 120 Rhein-Schiffe legen in Bendorf oder Lahnstein im Jahr mit Produkten des Bodener Unternehmens ab, im Schnitt mit jeweils 2.500 bis 3.000 Tonnen an Bord. Ebenso ist die Bahn ein wichtiges Verkehrsmittel. Es gibt im Werk einen eigenen Gleisanschluss. „Italien wird fast ausschließlich per Waggon bedient“, berichtet Florian Goerg.

Im Kreisverkehr am Ortseingang von Boden sind die drei blechernen „Bergbauarbeiter“ ausschließlich händisch tätig, nutzen Spaten und Hacke, aber keine Maschinen. Hinter Florian Goerg rattert derweil eine mächtige Tonmühle, darin stellt das Unternehmen Tonmehl her. Der geförderte Ton weist noch eine Feuchte von 13 bis 15 Prozent auf. Die Mühle trocknet ihn auf unter zwei Prozent und mahlt ihn. So erhält „Goerg & Schneider“ die Basis für keramische Massen. Die Maschine ist einer der großen Stromverbraucher im Betrieb. Die neue Dreier-Kooperation im Westerwald versorgt ihn mit dem nötigen Naturstrom.

Novum regionaler Partner, die etwas verändern

Am westlichen Rand des „Solarparks Bornscheidt“ fallen auf einige Zellen selbst im Hochsommer schon um drei Uhr nachmittags Schatten, die benachbarte Laubbäume werfen. Dessen ungeachtet produzieren die insgesamt ungefähr 8.000 Photovoltaik-Module, die hier verbaut sind, ein Maximum von jährlich zweieinhalb Millionen Kilowattstunden (kWh) „grünen“ Sonnenstrom, was in etwa dem Bedarf von 2.400 Menschen entspricht. Ein ganz neues Kooperationsmodell dreier unterschiedlicher, regionaler Partner, das jetzt vorgestellt worden ist, sorgt dafür, dass die mit der Anlage erzeugte, umweltfreundliche Energie einem heimischen Industriebetrieb zur Verfügung steht.

Hartmut und Florian Goerg, Markus Mann sowie Thomas Solbach (von links) sehen sich an, wo die Genossenschaft mit der Kraft der Sonne den Ökostrom erzeugt.

„Ein Planet wird geplündert“, das 1975 erschienene Buch von Herbert Gruhl, sei einer der Auslöser gewesen, sich mit erneuerbaren Energien zu beschäftigen, erinnert sich Friedrich Hagemann. „Damals dachte ich: ‚Oh, hoppla, du musst in diese Materie einsteigen.‘ Und dann stieß ich Anfang der 1980er-Jahre recht schnell auf das seinerzeit aufkommende Thema CO2- und Methan-Ausstoß. Und mir war klar, dass der nicht ohne Schaden für den Planeten sein würde“, blickt Hagemann zurück.

Heute ist der Direktor des Amtsgerichts im Ruhestand Vorsitzender des Aufsichtsrates der „Maxwäll-Energie Genossenschaft eG“. Gegründet 2012, betreiben die in dem Zusammenschluss organisierten gut 500 Mitglieder insgesamt fünf Solarparks, die zusammen die Strommenge für rund 6.000 Menschen liefern.

Dazu gehört der „Solarpark Bornscheidt“ in Wissen/Sieg. Im benachbarten Areal „Auf der Bornscheidt“ waren im schrecklichen Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter, die zur Arbeit im örtlichen Walzwerk, in den Gruben der Region und als Hilfskräfte in Privathaushalten gezwungen wurden, in Holzbaracken untergebracht. Ein Mahnmal erinnert an jene finsteren Zeiten. Doch in der Gegenwart ist dieser Flecken eher idyllisch: Der Sommerwind säuselt sanft durch besagte Laubbäume, der Solarpark ist eingebettet zwischen Sieg und zwei Tennisanlagen. Entspannte Schafe auf dem Gelände „pflegen“ das Grün, das die Photovoltaik-Module umgibt.

2018 ging der erste Teil des „Solarparks Bornscheidt“ ans Netz, der dritte und letzte im April dieses Jahres. Fotos: Schmalenbach

Diese besichtigen gerade Markus Mann, Geschäftsführer von „MANN Naturenergie“, der Strom-Abteilungsleiter des Unternehmens, Thomas Solbach, sowie Hartmut und Florian Goerg, die das in der Gewinnung und Aufbereitung tonkeramischer Rohstoffe tätige Unternehmen „Goerg & Schneider“ in Boden besitzen und leiten. Die „vierbeinigen Gärtner“ beobachten das Grüppchen, das Friedrich Hagemann gemeinsam mit „Maxwäll“-Vorstand Gerd Stein umher führt, derweil aus sicherer Entfernung.

Mann, Solbach, Vater und Sohn Goerg besuchen die Anlage, weil sie mit der Genossenschaft von Hagemann und Stein eine bemerkenswerte Kooperation vereinbart haben, die im nördlichen Rheinland-Pfalz wohl ein absolutes Novum ist: Der im Solarpark von „Maxwäll“ mit der Kraft der Sonne erzeugte Ökostrom wird seit April von der „Goerg & Schneider GmbH“ genutzt, die damit keramische Rohstoffe fördert und weiterverarbeitet (siehe Seite 5).

Gerd Stein (links) und Friedrich Hagemann erklären Wechselrichter der Anlage, durch die der Strom Richtung „Goerg & Schneider“ fließt.

Dazu wurde ein 15 Jahre lang laufendes PPA, ein „Power Purchase Agreement“ geschlossen, was sich wohl am treffendsten als „Stromkaufvertrag“ übersetzen lässt. So steht zum einen einem regional tätigen Unternehmen in der Westerwälder Heimat erzeugte elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung.

Zum anderen bringt sich „MANN Naturenergie“ bei dieser nachahmenswerten Partnerschaft als ausgleichendes Bindeglied zwischen Erzeuger und Verbraucher ein: Liefert der Solarpark in Wissen vorübergehend zu wenig Strom für den Momentan-Verbrauch von „Goerg & Schneider“, gleicht der Langenbacher Energieversorger den Mangel über seinen eigenen Bilanzkreis aus – und zwar ausschließlich mit ebenfalls physikalisch gekoppeltem Ökostrom, der aus Wind-, Wasser- und Sonnenenergie sowie aus fester Biomasse gewonnen wird. Damit ist ganzjährig und witterungsunabhängig garantiert, dass die von „Goerg & Schneider“ benötigten Strommengen jederzeit als echter Ökostrom zur Verfügung stehen (und nicht nur kaufmännisch-bilanziell „auf dem Papier“) – gleich, ob er gerade im Solarpark entsteht oder aus den anderen Quellen kommt.

Umgekehrt ist „MANN Naturenergie“ in der Lage, einen etwaigen Überschuss aus den Solarzellen der Energie-Genossenschaft aufzunehmen und über den eigenen Bilanzkreis an andere Kunden weiterzuleiten. Das ist eine sinnvolle Lösung, denn der Solarstrom wird schließlich nicht immer in exakt der Minute bei „Goerg & Schneider“ gebraucht, wenn er gerade anfällt beziehungsweise nicht die komplette Menge – am Wochenende zum Beispiel, wenn die Sommersonne zwar kräftig auf die nahe Sieg und ebenso die 8.000 Module der Genossenschaft scheint, doch die Anlagen im Werk in Boden ruhen.

Schwankungen bei der Stromerzeugung in Wissen werden demnach in Momenten der Überproduktion ebenso wie in Phasen des Mangels von MANN ausgeglichen. „Wir wollen mit diesem Projekt in gewisser Weise auch einen Startschuss geben“, betont Markus Mann. So könnten künftig zahlreiche Unternehmen von ähnlichen Kooperationen, von solchen PPA, profitieren. „Ganz gleich, ob sie die PV-Anlage auf dem eigenen Dach mit direktem Kabel zu ihren Stromverbrauchern haben und eine Restmenge übrig ist, die sinnvoll genutzt werden soll. Oder die Variante, wie wir sie hier haben: Die Anlage steht etwas entfernt, der Strom geht über das öffentliche Netz und landet am Ende beim Kunden und wird auf die Viertelstunde genau bilanziell abgerechnet.“

„Wir sind ein energieintensiver Betrieb, der knapp vier Millionen kWh Strom im Jahr benötigt“, entgegnet Florian Goerg auf die Frage, warum sich das Unternehmen zum Vertragsschluss mit „Maxwäll“ und „MANN Naturenergie“ entschieden habe. „Zum einen sind wir auf die Versorgungssicherheit angewiesen, aber ebenso auf die Wirtschaftlichkeit der nachhaltigen Nutzung regionaler Energie.“

Gerd Stein bekam seine erste private Photovoltaik-Anlage 2003, wie er erzählt. „Da war ich infiziert.“ Er baute vier Anlagen selbst! Ursprünglich habe er mit einigen Gleichgesinnten Windräder zur Stromerzeugung aufstellen wollen. „Doch wegen der Naturromantiker hat das nicht funktioniert“, führt der als Lokführer Arbeitende aus. „Ich wollte nie Vorstand der Genossenschaft werden – es ist viel Stress, zuweilen schlaflose Nächte“, zwinkert er. Den Job bei der Bahn hat Stein inzwischen auf eine halbe Stelle reduziert, um sich mehr um den Strom aus Sonne kümmern zu können.

„Ich kann vieles, aber nichts richtig“, lacht er und berichtet, dass er sich mitunter ebenso selbst um die Buchführung gekümmert, doch genauso Wechselrichter in Solarparks ausgetauscht habe. „Im ersten Park der Genossenschaft habe ich sieben Kilometer Kabel erneuert!“ Er wolle nicht so sein, wie andere, die sich in Umweltbewegungen organisieren „und nur sagen: ‚Dat will ich nicht, dat will ich nicht‘ – aber Alternativen schaffen sie keine. Auf die Straße gehen und demonstrieren, ist einfach! Uns geht es darum, selbst Veränderungen herbeizuführen.“ So wie jetzt beim Vertrag mit der Firma „Goerg & Schneider“, die den Genossen den Strom zum garantierten Preis abnehmen und damit zugleich die Energiewende voranbringen.

Schafe halten das Gras auf der von der Stadt Wissen gepachteten Fläche kurz.

Unterhalb der Böschung, über der die Photovoltaik-Module des „Solarparks Bornscheidt“ gerade tausendfach in der Sommersonne blitzen, donnert ein Zug auf der Sieg-Strecke vorbei. So, wie die Bahn Köln mit Siegen verbindet, fungiert „MANN Naturenergie“ bei diesem PPA als Brücke zwischen den stromerzeugenden Energie-Genossen und der „stromhungrigen“ Produktion der Ton-Verarbeiter – sogar über die Grenze der Kreise Altenkirchen und Westerwald hinweg. Und während auf bundespolitischer Ebene seit Monaten gestritten wird, welche Schritte zur Energiewende gangbar sind, sagt Florian Goerg über das neue Projekt, bei dem sein Unternehmen mit MANN und „Maxwäll“ kooperiert: „Es hat keine vier Wochen gedauert, da hatten wir diese für alle Seiten gewinnbringende Lösung schon gefunden und fest vereinbart.“

Uwe Schmalenbach

Kein einziges Thema war nicht spannend

Axel Weiß ist Redakteur beim Südwestrundfunk. Er arbeitet in der Fachredaktion Umwelt und Ernährung des SWR und ist als Moderator der Natur- und Umweltsendung „natürlich!“ tätig. Mit dem studierten Biologen und Medienwissenschaftler sprach Uwe Schmalenbach über die Präsenz von Klimaschutzthemen im TV.

Vor den Dreharbeiten wird Axel Weiß (links) von Tonmann Solaiman Kabir mit einem Mikrofon und Sender „verkabelt”. Fotos: Schmalenbach




Was ist der Grund, dass der SWR heute hier in den Westerwald gekommen ist, um über die Bahn-Reaktivierungspläne der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) einen Beitrag zu drehen?

Unser wöchentliches Natur- und Umweltmagazin „natürlich!“. Wir sind zwischen Eifel und Bodensee unterwegs und gucken nach Themen, die in irgend einer Form für unsere Zuschauenden interessant sind aus den Bereichen Natur, Landwirtschaft, Umwelt. Da ist die Reaktivierung von Bahnstrecken, Klimaschutz durch Verlagerung von Transporten zurück auf die Schiene ein großes Thema, finde ich!




Warum?

Es gibt nach meiner Beobachtung sehr viele Defizite, vor allem in Rheinland-Pfalz. Ich finde es ganz spannend, dass hier der Versuch unternommen wird, die Bahn wieder stärker in den Gütertransport einzubinden – das ist uns allemal einen Bericht wert.




Befasst ihr Euch im Vorfeld eines Drehs intensiv mit dem Thema oder geht ihr einfach hin nach dem Motto „Wir gucken mal, was wir da vor Ort vorfinden?“

Ich muss mich natürlich schon im Vorfeld damit beschäftigen. Denn es ist immer die Frage, mit welchem Fokus man an ein solches Thema herangeht. Was für Details gibt es? Man hat natürlich ebenso mit unterschiedlichen Interessen zu tun, und die sind nicht immer deckungsgleich. Hier ist es ganz wichtig, einigermaßen den Überblick zu haben, was der Hintergrund einer solchen Aktion ist.




Du bist ein „Gesicht der Sendung“ und präsentierst die unterschiedlichsten Inhalte. Gibt es Themen, die dich persönlich stärker interessieren und andere vielleicht weniger?

Das bleibt überhaupt nicht aus, dass man seine eigene Sichtweise einbringt; das ist auch kein Fehler. Ich finde halt Transparenz ganz wichtig, dass man deutlich macht, wo man steht und wie man solche Dinge sieht. Wobei: Ich mache das jetzt seit neuneinhalb Jahren, und es gab noch kein einziges Thema, das ich nicht spannend gefunden hätte! Manche Dinge erschließen sich ja auch erst dadurch, dass man sie aufgreift. Man arbeitet sich hinein, spricht mit den Leuten, die sich engagieren, und denkt: „Wow, das ist ein spannendes Kapitel, weil viel mehr dranhängt, als man zunächst geglaubt hatte.“




Also kann es passieren, dass du im Rahmen einer Reportage eine ganz andere Meinung zu etwas bekommst?

Ja klar! Ich bin ja schon vom Job her gehalten, offen zu sein für sämtliche Informationen egal von welcher Seite. Meine Aufgabe ist es, sie einzuordnen und daraus meine Schlüsse zu ziehen und sie entsprechend wiederzugeben. Es gab schon Fälle, da habe ich „bei A“ angefangen und bin am Ende bei K und L und M gelandet, was ich selber nicht gedacht hätte.




Und heute ist das Thema doch sicher ebenfalls sehr spannend für dich, oder?

Ich finde es ausgesprochen spannend – weil ich es ehrlich gestanden für eine Katastrophe halte, wie wir zugelassen haben, dass ein funktionierendes, klimafreundliches Verkehrsmittel wie die Bahn seit 1992 durch die absehbar gescheiterten Privatisierungsbemühungen systematisch kaputt gemacht worden ist. Die Bahn könnte heute einen ganz anderen Stellenwert haben; wir wären dankbar für die einhergehenden Klimaschutzeffekte. Nur: Es sind viele Strecken komplett verschwunden, andere sind „nur“ stillgelegt worden. Ansonsten ist die Gesamt-Bahn in einem völlig maroden Zustand; und der Bundestag hat zugesehen, die Verkehrsminister haben das mitgestaltet. Da kann ich einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen als Umwelt-Journalist und sagen: „Wie konnte man das wider besseren Wissens so zulassen?“ Umso wichtiger finde ich, dass man an den Stellen, wo man noch etwas ändern kann – so wie hier –, Bahnstrecken tatsächlich wieder nutzt!


Weshalb?

Bei den Dreharbeiten lässt sich der SWR-Journalist auch das derzeitige Ende der Bahnstrecke zwischen der Rosenheimer Lay und Elkenroth zeigen.

Nur so können sie eine wichtige Rolle spielen in unserem Kampf gegen die Klimakrise. Und was ich an Plänen gesehen habe zu dem, was Markus Mann vor hat – nämlich die Nutzung und Erweiterung der Bahnstrecke in Richtung seines Sägewerkes – finde ich sehr plausibel und nachvollziehbar und im Hinblick auf mehr Klimaschutz eine gute Sache. Das ist zumindest das Bild, das ich als Umwelt-Journalist von außen betrachten kann. Ich wüsste nicht, was gegen das Vorhaben spricht. Insofern würde ich mir noch mehr solche Beispiele wünschen.

Haben wir als Medien das Thema Klimaschutz generell und gerade solche Beispiele, wie wir es hier bei der „Westerwaldbahn“ sehen, zu lange vernachlässigt? Beziehungsweise waren solche Themen in den letzten zehn Jahren ausreichend repräsentiert in den Programmen und Zeitungen?

Ich denke, wenn man sich anguckt, was in den großen Leitmedien an Themen und in welchem Umfang behandelt wird, dann ist der Klimawandel, die Klimakrise und ihre Konsequenzen etwas, das erst in jüngerer Vergangenheit – nachdem die Folgen wie zum Beispiel mit unseren sterbenden Wäldern unübersehbar geworden sind – wirklich breit in den Fokus genommen worden ist. Es gab natürlich einige Medien, die das stärker thematisiert haben. Und in unserer SWR-Umweltredaktion gab es Journalisten, die haben schon vor 30 Jahren über den nötigen Klimaschutz berichtet. Aber dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ist noch nicht so ganz lange der Fall. Und an diesem dicken Brett ist noch immer viel zu bohren, da sind wir bei weitem noch nicht da, wo wir sein müssten. Denn die Folgen sind wirklich dramatisch, und das werden unsere Enkel ausbaden müssen. So wie sie jetzt schon, in anderen Teilen des Planeten, Menschen ganz konkret ausbaden. Deswegen finde ich solche Aktionen wie hier, wo konkret etwas passiert, so wichtig.

Begrüßung auf dem Bahnsteig

Die Dreharbeiten sind aufwendig, nehmen recht viel Zeit in Anspruch. Den ganzen Tag über ist das Team des Südwestrundfunks (SWR) mit Markus Mann unterwegs: Scheuerfeld, Steinebach, „Schwedengraben“, Bindweide, Rosenheimer Lay, Weitefeld und schließlich das WWP-Firmengelände in Langenbach sind die Stationen, die die Fernsehleute besuchen und an denen sie Szenen für ihren geplanten Beitrag des Magazins „natürlich!“ filmen. Der greift die Pläne der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) auf, die entwidmete Strecke der „Westerwaldbahn“ über den Bahnhof Rosenheimer Lay hinaus zu reaktivieren, um darauf im Sägewerk des Unternehmens benötigtes Rundholz per Zug zu transportieren.

Kamerafrau Tarja Kühne dreht das Eintreffen des Holzzuges am Bahnhof Bindweide.

Der Bahnhof Bindweide ist heute ein moderner Betriebshof der „Westerwaldbahn GmbH“, die dort Werkstatt und Waschstraße für Busse und Schienenfahrzeuge sowie Büros betreibt. Auf den Gleisen neben den Gebäuden kommt – beobachtet und eifrig fotografiert von einer Handvoll „Train Spottern“ – gerade eine rot-schwarze Lok der Baureihe 215 an. „Für Steilstrecken zugelassen“, steht an der Seite der gut 16 Meter langen Zugmaschine. Im Schlepptau hat sie zwei Rungenwagen, die mit Rundholz für die „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) beladen sind. Die Lok hält an, aus dem Führerstand steigt „natürlich!“-Moderator Axel Weiß aus und wird vom ihn bereits am „Bahnsteig“ erwartenden Markus Mann begrüßt…

Die (gestellte) Szene ist eine des am Ende zwischen sieben und acht Minuten langen Films der Sendung, laut ARD-Selbstdarstellung „das Umwelt- und Naturmagazin für den Südwesten – macht Lust auf Natur, bietet faszinierende Einblicke, gibt nützliche Tipps und beschäftigt sich auch mit dem, was unser Ökosystem bedroht.“

Mit Philippe Lamielle (links) sucht Redakteur Henning Winter den richtigen Blickwinkel für die kleine Kamera, die außen an der Lok befestigt werden soll.

Der Klimawandel, verursacht vom viel zu hohen Ausstoß an CO2, ist zweifelsohne eine ökologische Bedrohung. Das Vorhaben der WWP, Rundholz deswegen künftig nicht mit Lastwagen, sondern auf der Schiene zum firmeneigenen Sägewerk liefern zu lassen, gilt als Klimaschutzmaßnahme, da der Transport per Lkw siebenmal mehr CO2-Ausstoß bedeutet als der mit dem Zug (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).

Nein, geeignete Inhalte für „natürlich!“ zu finden, sei grundsätzlich überhaupt nicht schwer, erläutert Henning Winter, Redakteur der Sendung und Teil des Teams im Westerwald. Und auch, wenn die in „natürlich!“ aufgegriffenen Themen wie der Klimawandel einen ernsten Hintergrund haben, sei es wichtig, dass die filmische Umsetzung stets attraktiv und optisch toll sei: „Was bringt es, wenn die Leute abschalten, weil ein Beitrag langweilig ist?“, gibt Winter zu bedenken. „Dann bekommen wir die Botschaft ja nicht rüber!“ Zudem sei „natürlich!“ letztlich auch ein Unterhaltungsformat.

Für dieses ist eine Kernmannschaft von etwa 30 Menschen beim SWR aktiv. Hinzu kommen Kamera- und Tonleute (die häufig als „Freie“ tageweise für die jeweiligen Beiträge gebucht werden) sowie „Cutter“, die den Schnitt des Rohmaterials erledigen.

Julian Cleff ist beim Beitrag über das Bahnprojekt der WWP als Tontechniker dabei, Philippe Lamielle als Kameramann, seine Kollegin Tarja Kühne als Kamerafrau, Tonmann und Kameraassistent Solaiman Kabir komplettiert das Team. Zusammen mit Moderator Weiß und Redakteur Winter diskutieren sie den ganzen Tag über immer wieder Details der richtigen Einstellung, die Inhalte der Gespräche, die der Moderator mit Markus Mann führen oder wo genau die Lok der 215er-Baureihe anhalten soll, wenn Axel Weiß aussteigt. Wohin kommt die anklebbare „GoPro“-Kamera? Besser oben auf einen der Holzwaggons oder lieber seitlich an die Lok, um eine spannende Perspektive zu erzielen?

Henning Winter schildert, dass die Fernsehmacher aufgrund der heute sehr umfangreichen Medienforschung recht gut wissen, was der Zuschauer mag. Gleichwohl räumt der SWR-Redakteur ein, dass es trotz aller Daten immer wieder Überraschungen gebe. Zudem stammen die „natürlich!-Beiträge aus beiden Bundesländern, in denen der SWR als öffentlich-rechtlicher Landessender zuständig ist. „Die Erfahrung ist, dass es Themen gibt, die in beiden Bundesländern gut funktionieren, der Borkenkäfer oder der Wolf zum Beispiel“, führt Winter aus. Dann wieder gebe es Inhalte, die nur in manchen Regionen Anklang finden.

Damit die fertige „natürlich!“-Folge, in der das WWP-Bahnprojekt vorgestellt wird, ebenfalls ein Thema aus Baden-Württemberg enthält, reisen die Fernsehmacher zwei Tage nach den Dreharbeiten im Westerwald nach Baden. Dort soll es um die Waldschnepfe gehen, die als einziger heimischer Watvogel nicht Gewässernähe, sondern Wälder als Lebensraum bevorzugt.

Irgendwie schließt sich da ein Kreis, denn der Wald, beziehungsweise die durch Trockenheit und Borkenkäfer verursachten Schäden dort liefern ja überhaupt erst den Anlass, dass die WWP den Rohstoff Holz inzwischen aus größerer Entfernung als früher beziehen müssen. Und das künftig eben am besten per Eisenbahn.

Uwe Schmalenbach

(Die Ausgabe der Sendung „natürlich!“, in der der Bericht über das Vorhaben zur Reaktivierung der Bahnstrecke zu sehen ist, wird am 16. Mai 2023, 18.15 Uhr, im SWR gezeigt.)

Themenschwerpunkt „Energie-Drehscheibe Dreiländereck“

Die benötigte Technik gibt es schon, sie funktioniert zuverlässig: Am Firmensitz von „MANN Naturenergie“ und den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) wurden in dem grauen Container 112 „second-life“-Batterien zu einem Großspeicher für Strom zum Beispiel aus diesen Solarzellen zusammengeschlossen. Er bietet 1,4 Megawattstunden Kapazität und arbeitet Tag für Tag perfekt. Diese guten Erfahrungen wollen Markus Mann und sein Team auf den „Siegerland Flughafen“ übertragen und dort mithelfen, eine „Energie-Drehscheibe Dreiländereck“ entstehen zu lassen.



Liebe Leserinnen und Leser,

die neue Frühjahrsausgabe der „Wäller Energiezeitung“ hat einen Themenschwerpunkt: Sie widmet sich der Idee, den „Siegerland Flughafen“ zur „Energie-Drehscheibe Dreiländereck“ umzubauen. Wir möchten gerne aufklären zu allen Hintergründen und auch die Frage beantworten, ob so ein Vorhaben sinnvoll ist und technisch wie finanziell überhaupt gelingen kann.

Aufgeladen zurück in den Westerwald

Das MANN-Heizhaus Düsseldorf wird mit umweltfreundlichen Westerwälder Holzpellets betrieben. Wenn Fahrer Maik und seine Kollegen dort für Nachschub sorgen wollen, haben sie bislang einen der noch vorhandenen Diesel-Lkw genommen. Denn die Strecke nach Düsseldorf ist vergleichsweise weit weg vom Firmensitz, die „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) versorgen sonst bewusst Kunden „rund um den eigenen Kirchturm“. Inzwischen ist es aber kein Problem mehr, einen der neuen elektrischen WWP-Laster einzusetzen – und dennoch sicher zurück in den Westerwald zu kommen.

Grund dafür ist das neue Schnellladenetz von „Aral“. Deren E-Mobilitäts-Marke „Aral pulse“ hat nämlich Anfang des Jahres einen Korridor von Ladestationen in Betrieb genommen. In diesem liegen Ladestationen mit einer Leistung von je 300 Kilowatt in Schwegenheim, Bensheim, Rüsselsheim, Rheinböllen, Düsseldorf und Dortmund. Auch Köln und Bad Honnef sollen solche Geräte bekommen.

Damit wolle man über 600 Kilometer des stark befahrenen Rhein-Alpen-Korridors elektrifizieren, der unter anderem die Großräume Rhein-Neckar und Rhein-Main mit der Metropolregion Rhein-Ruhr verbinde, erläutert „Aral“-Mitarbeiter Peter Kretzschmar im Gespräch mit der „Wäller Energiezeitung“. Zuvor sei es für Lkw-Fahrer schwierig gewesen, ihre Fahrzeuge unterwegs aufzuladen. Dies gehe zumeist nur an Ladesäulen auf dem eigenen Betriebsgelände. „Das ist genau der Paradigmenwechsel, den dieser Ladekorridor ermöglicht. Das Laden von Elektro-Lkw wird bereits durchgeführt – allerdings immer nur im Binnenverkehr: Morgens fahre ich mit meinem vollgeladenen Laster weg, mache Auslieferungen in der Stadt oder in der Region und fahre abends wieder zum Hof und lade. Der Korridor ermöglicht jetzt erstmalig auch Langstreckenverkehr mit E-Lkw.“

Bei diesen 300-KW-Ultraschnellladesäulen handele es sich um „die schnellsten, die es im Moment auf dem Markt gibt“, erklärt Kretzschmar. Die technische Entwicklung sei so rasant fortgeschritten, dass nun die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs mit Elektromotoren möglich sei: „Man hat ja vor vielen Jahren noch gesagt, das sei eher eine Sache, die nur im Pkw-Bereich machbar wäre – Lkw seien zu schwer, um mit E-Mobilität betrieben zu werden.“ Diese Einschätzung habe sich geändert.

In Düsseldorfs Münchener Straße können E-Lkw mit bis zu 300 KW sehr schnell geladen werden.

Aber ein Mineralölunternehmen und Elektromobilität – wie passt das überhaupt zusammen? „Aral“-Mutterkonzern „BP“ beabsichtigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein solches Vorhaben erfordere ebenso ein entsprechendes Energie-Angebot für Konsumenten – noch dazu, wenn diese es stark nachfragen, führt Kretzschmar aus: „Dem E-Auto gehört die Zukunft. Die gesetzlichen Regelungen, die in letzter Zeit erlassen worden sind, sprechen da eine eindeutige Sprache.“

Wenn künftig Pelletnachschub im Düsseldorfer Heizhaus gebraucht wird, können Maik und Kollegen auch diese Strecke ohne CO2-Ausstoß unterwegs überwinden und einfach einen ihrer neuen Elektro-Lkw einsetzen: Vor der Rückfahrt geht es bei Bedarf an den 300-KW-Lader. Er liegt passenderweise nur wenige Minuten von der Frankfurter Straße entfernt, in der sich das Heizhaus befindet – nach 15 bis 20 Minuten sollte Maik dort genug Strom getankt haben, um ausreichend aufgeladen zurück in den Westerwald zu kommen.

Erfolgsmodell im Süden Düsseldorfs

„Durch die Inbetriebnahme des Pelletheizhauses kamen wir über die Schwelle von 50 Prozent erneuerbare Energien bei der Wärmeversorgung im Netz“, schildert Uwe Schließer und blickt auf den 18 Meter hohen, silbrig in den Frühlingshimmel blitzenden Schornstein der Anlage. Schließer ist bei der „Netzgesellschaft Düsseldorf“, einer Tochter der örtlichen Stadtwerke, Gruppenleiter im Bereich Heizkraftwerke und Energiedienstleistung. Die Stadtwerke haben das Heizhaus von „MANN Naturenergie“ aufstellen und betreiben lassen. Zehn Jahre ist das nun her – und seither wurden darin im Schnitt 750 Tonnen Holzpellets pro Jahr eingesetzt, um heißes Wasser für das Fernwärmenetz in Düsseldorf-Garath zu erzeugen. Gegenüber der Verwendung von Braunkohle wurden (laut Emissionsbilanz des Deutschen Pelletinstituts) so rund 14.500 Tonnen CO2 vermieden.

Bewährt sich seit zehn Jahren: das MANN-Heizhaus in Düsseldorf.

Die Wohnungsnot in Düsseldorf war groß in den 1950er-Jahren. Der Wiederaufbau nach dem Krieg befand sich in einer Hochphase, doch intakte Unterkünfte gab es weiterhin zu wenig. Darum wurde im Düsseldorfer Süden der komplett neue Stadtteil Garath konzipiert, der in 8.000 Wohnungen Platz für über 30.000 Menschen schaffen sollte. Buchstäblich auf der bis dahin „grünen Wiese“, mit einem Heizkraftwerk in der Mitte, die Wohnanlagen drumherum gruppiert und allesamt über ein Fernwärmesystem damit verbunden.

Bis heute ist es so, dass letztlich in jedem Heizkörper des Stadtteils warmes Wasser die Stube wärmt, das im Garather Kraftwerk „gekocht“ wird. Ein zweiter Vorlauf in Richtung der Behausungen speist zudem Pufferspeicher in deren Kellern für die Warmwasserversorgung.

Ursprünglich verfeuerten die Stadtwerke dazu Kohle, inzwischen wurde sie durch Gas abgelöst (der Einsatz von Heizöl ist weiterhin möglich). „Vier Heißwasserkessel im Kraftwerk leisten insgesamt 100 Megawatt (MW)“, erklärt Uwe Schließer. Mit dieser „Power“ seien je Stunde 1,5 Millionen Liter Wasser für die Raumheizungen und weitere 300.000 Liter für die Trinkwassererwärmung in Garath aufheizbar.

Uwe Schließer erläutert das Fernwärmenetz.

Um die Umweltbilanz des Kraftwerkes zu verbessern, wurde 2007 ein ergänzendes Biomasse-Heizkraftwerk an jener Stelle gebaut, an der sich einst das Kohlehaus befand. Im Biomasse- Heizkraftwerk wird Altholz genutzt, es produziert Wärme, die für etwa 40 Prozent des Bedarfs in Garath ausreicht.

Übrigens: Schufteten früher um die 60 Beschäftigte in der mit Kohle betriebenen Anlage, um stets genug „Dampf auf dem Kessel“ zu haben, sind es nunmehr lediglich vier Mitarbeiter in der Kraftwerkswarte, ein Meister und drei Kraftwerker. An Wochenenden sowie nachts läuft die Anlage „mannlos“; ein Team im ebenfalls den Stadtwerken Düsseldorf gehörenden Heizkraftwerk Lausward überwacht sie dann aus der Ferne.

Aus der Ferne wurde auch in den gesamten zehn Jahren das Pelletheizhaus kontrolliert – aus Langenbach bei Kirburg, wo „MANN Naturenergie“ sitzt. Denn das Unternehmen hat die Anlage betrieben und seine jährlich bis zu 5.000 Megawattstunden Wärmeleistung im Rahmen eines „Contractings“ an die Stadtwerke Düsseldorf geliefert: MANN erhitzt im Düsseldorfer Pelletheizhaus Wasser auf 80 bis 100 Grad und übergibt es an das Fernwärmenetz in Garath. Abgerechnet wird bei diesem Modell die Menge des „verkauften heißen Wassers“, das dann zusammen mit den mittels Gas und Altholz erwärmten Mengen in die Garather Wohnungen strömt.

Fernwärme erfreue sich in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt einer enormen Nachfrage, berichtet Uwe Schließer: „Die Netze sind derzeit ausgereizt! Fernwärme verkauft sich wie ‚geschnittenes Brot‘, die Kunden haben starkes Interesse an dieser Wärmeart.“ Grund dafür sei, dass es etwa Vermietern und Hauseigentümern, die Heizungen in ihren Gebäuden betreiben, damit sehr bequem gemacht werde: Ganz gleich, welche gesetzlichen Vorschriften schon herrschen im Heizungskeller oder noch kommen werden (wie das Verbot, neue Ölheizungen einzubauen) – für deren Einhaltung ist bei dem Fernwärmemodell stets derjenige zuständig, der das warme Wasser erzeugt. Also die Stadtwerke. Für den Vermieter ändert sich nichts – ganz gleich, ob die Stadtwerke in ihren Kraftwerken Gas, Altholz oder Pellets nutzen oder künftig noch ganz andere Erzeugungsarten einsetzen könnten wie zum Beispiel Tiefengeothermie.

Hier wurde Platz für 30.000 Menschen geschaffen.

Das Fernwärmenetz in der Großstadt am Rhein ist etwa 280 Kilometer lang. Nun soll es verdoppelt werden, da die Nachfrage so groß ist. Als einen nächsten Schritt will die „Netzgesellschaft Düsseldorf“ es von Garath aus über den Stadtteil Benrath bis zum Chemie-Konzern Henkel verlängern. Dort soll Abwärme bezogen werden und im Fernwärmenetz Wärme aus den Gas-Öl-Kesseln in Garath weiter verdrängen helfen (um so perspektivisch die Gas-Wärme auf 20 Prozent Anteil zu drücken). Hierfür gibt es in der Garather Anlage schon entsprechende Systeme, die heißes Wasser nicht nur in Richtung der Wohnungen abgeben, sondern über einen Bypass eben auch zusätzliche Wärmeenergie, die von einer sechs Kilometer entfernten Wärmeübergabestation bei Henkel kommt, importieren können.

Die „Wohnstadt Garath“ wurden nach dem nahen Schloss Garath benannt und ab 1961 gebaut.

Über diese Wärmeleitung kommt künftig die Henkel-Abwärme ins Kraftwerk.

54,7 Prozent der Wärmeenergie in Garath ist aber heute schon „grün“. Durch den Einsatz von regenerativen Brennstoffen wie dem Altholz und den Holzpellets wird dort aktuell ein Primärenergiefaktor von 0,44 erreicht. Dieser soll noch auf 0,22 sinken, stellt Schließer in Aussicht. Der Wert gibt Orientierung darüber, wie viel „Ausgangs-Energie“ benötigt wird und berücksichtigt dabei den Energieverlust, der bei der Gewinnung, Umwandlung und Verteilung eines Energieträgers jeweils entsteht. Je umweltschonender die Energieform und ihre Umwandlung, desto niedriger ist der Primärenergiefaktor. Zum Vergleich: Beim ausschließlichen Einsatz von Kohle beträgt er, je nach Berechnung, eins bis 1,2, während Solar- und Windenergie einen Primärenergiefaktor von null haben – mit 0,44 beziehungsweise perspektivisch nur 0,22 liegen die Stadtwerke Düsseldorf in Garath also schon recht gut.

Uwe Schließer erzählt, dass es mit dem Pelletheizhaus in den zehn Jahren, in denen es in Garath arbeitet, keinerlei Probleme gegeben habe, technisch immer alles glatt gelaufen, die Anlage nie ungeplant ausgefallen sei: „Es ist ein Erfolgsmodell.“ Schließer lässt den Blick abermals über das Heizhaus und den blanken Edelstahlkamin vor dem frühlingsblauen Himmel wandern. Den Vertrag mit MANN, dem Energielieferanten aus dem Westerwald, haben die Stadtwerke der Landeshauptstadt gerade um drei Jahre verlängert.

Uwe Schmalenbach

Vielleicht die bedeutsamste Neuerung im Ort

„Das da ist ein Kabel für 20.000 Volt“, sagt Stefan Hansen und steigt über einen armdicken, schwarzen Strang. Zu Dutzenden, womöglich Hunderten liegen noch anzuschließende Verbindungen wie diese auf einer Baustelle in Stockum-Püschen in Schächten, Kanälen und bisweilen auch im Matsch. Hier errichtet die „Holzindustrie Hassel“ neben dem seit 1989 dort angesiedelten Sägewerk gerade ein Pelletwerk. Das dort in Kürze produzierte, umweltfreundliche Brennmaterial soll von den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) vertrieben werden.

Hinter den Holzvorräten des Sägewerks von Stefan Hansen ragt schon das neue Pelletwerk empor. Fotos: Schmalenbach

Wer die „Holzindustrie Hassel“ zuletzt vor vier oder fünf Jahren besucht hat, wird feststellen: Es hat sich eine Menge verändert, seit sie von Stefan Hansen und seinem Geschäftspartner Christian Zeinler gekauft worden ist: einige Erweiterungen im Sägewerk, deutlich mehr Trockenkammern für das Schnittholz. Wo noch vor einem Jahr Pferde auf der benachbarten Weide standen, wurde zwischenzeitlich ein zweieinhalb Hektar großes Areal für das neue Pelletwerk erschlossen, das in bemerkenswert kurzen 13 Monaten Bauzeit hochgezogen wird. In einer „ersten Stufe“ sollen dort 40.000 Tonnen im Jahr produziert werden.

Fünf bis sechs Tonnen in der Stunde wird die „Holzindustrie Hassel“ mit dieser Presse produzieren können, aus welcher derzeit noch zig Kabel ragen, die dereinst dem Brandschutz dienen und zum Beispiel etwaigen Funkenflug überwachen.

An vielen Stellen entdeckt man beispielsweise Fundamente, die eigentlich „zu lang“ aussehen – es ist bereits ein Zubau unter anderem einer zweiten Pelletpresse und ergänzender Silokapazitäten eingeplant (und derzeit in Genehmigung), so dass auf Dauer die doppelte Pelletmenge in Stockum- Püschen entstehen kann. Zehn Prozent der Jahresproduktion können vor Ort eingelagert werden, die Siloanlage ragt weithin sichtbar aus dem Gelände empor.

„Das hier ist die Wärmequelle, die den Bandtrockner versorgt, auf dem der nasse Holzspan vor dem Pressen getrocknet wird“, führt Stefan Hansen über die Baustelle. Die Wärme werde vollständig in einem Biomasseheizkraftwerk erzeugt, das allein mit eigener Biomasse befeuert werden wird.

All die Kabel müssen noch korrekt angeschlossen werden, soll die Produktion im April starten können, auch das dicke 20.000-Volt-Kabel rechts.

„Das ist schon schön“, nickt der neue Inhaber der „Sägeindustrie Hassel“, darauf angesprochen, dass dieses Pelletwerk komplett neu konzipiert und „am Reißbrett“ entstanden ist. „Das bedeutet auch, dass unsere Technik komplett neu und eine Technik der jüngsten Generation ist. Auch das ist ein Luxus – den sich allerdings jeder Maschinenhersteller sehr gut bezahlen lässt, das gehört ebenso zur Wahrheit“, erläutert Hansen. „Wir haben alles bei den jeweiligen Marktführern gekauft. Drücken wir mal die Daumen, dass alles klappt, wenn wir einschalten, aber an den Komponenten sollte es eigentlich nicht liegen.“

Der heutige Bahnhof Rotenhain hat seine zeitlichen Wurzeln im Jahr 1901, als im Oktober des Jahres die Reichsbahn ihre Haltestelle Rotenhain einrichtete. Die gleichnamige 480-Einwohner-Gemeinde trifft hier in der Gegenwart unmittelbar auf das von 630 Westerwäldern bewohnte Gebiet Stockum-Püschens. Dass genau an dieser Grenze die „Sägeindustrie Hassel“ zu finden ist, geht auf Fritz Hassel zurück. Der Landwirt erwarb Ende des 19. Jahrhunderts zunächst die „Michelbacher Mühle“, die bei Altenkirchen lag. Vier Jahre danach gründete er ein Sägewerk, das später an Gustav Hassel ging. Er expandierte nach dem Zweiten Weltkrieg erheblich, für das zerbombte Ruhrgebiet wurden schließlich enorme Mengen Holz benötigt. 1989 dann wurde der Betrieb neben den besagten Bahn-Haltepunkt in Rotenhain verlegt.

Im August 2021 unterzeichneten die jetzigen Eigentümer ihren Kaufvertrag. Dem Schritt seien zehn Jahre vorangegangen, in denen er die Idee gehabt habe: „Raus aus der wirklich erfolgreichen Beschäftigung im Finanzsektor, selbst etwas entwickeln. Man muss als Unternehmer niemanden fragen, keine Gremien einberufen, kann selbst entscheiden – großartig!“, schwärmt Stefan Hansen, wobei sein Schwärmen unwillkürlich und zweifelsohne unbeabsichtigt etwas hanseatisch „unterkühlt“ rüberkommt.

Denn Hansen stammt aus Hamburg, lebt dort im so schmucken wie teuren Stadtteil Eppendorf und ist die Woche über im Westerwald, um sich um das Sägewerk und die wahrhaft beeindruckende Baustelle zu kümmern. „Ich habe eigentlich schon überall auf der Welt gearbeitet“, erzählt er. Dass es nun der Westerwald geworden ist, sei eher Zufall, weil es mit dem Sägewerk dort ein passendes Unternehmen für sein Vorhaben als eigener Chef gegeben habe.

Von Haus aus ist Stefan Hansen Architekt, mit einem „MBA“, einem „Master of Business Administration“, hat er sich zusätzliches ökonomisches Wissen sowie Managementfähigkeiten draufgeschafft. Lange war der Hamburger anschließend in der Unternehmensberatung tätig, bei „McKinsey“ beschäftigt, hatte zuletzt einen Arbeitsplatz in der Finanzbranche in Zürich und Verantwortung für um die 1.000 Leute auf der ganzen Welt.

In Stockum-Püschen sind es momentan 90; als Stefan Hansen einstieg, hatte die „Holzindustrie Hassel“ etwa 30. „Am ersten Tag, als ich hier war, bin ich an die Planung des Pelletwerkes gegangen“, führt er aus.

Während der vorausgegangenen Monate hatten der neue Sägewerkchef und sein Freund und Kollege Christian Zeinler sich Woche für Woche gegenseitig je eine Firma vorgestellt, die für ihre Unternehmerpläne infrage kommen könnte. Dabei haben die beiden jetzigen geschäftsführenden Inhaber der „Holzindustrie Hassel“ durchaus genauso ganz andere Branchen in den Blick genommen, Tiernahrung etwa. Doch Holz, rühmt Stefan Hansen – und die hanseatische Kühle weicht nun einem freudigen Lächeln –, sei „ein faszinierendes Material!“ Als Architekt habe er sich bereits vor 20 Jahren mit Holzbau befasst. „Holz ist toll, der einzige nachwachsende Roh- und Baustoff!“

22 bis 24 LKW voll davon kommen täglich bei der „Holzindustrie Hassel“ an. Diese sägt daraus beispielsweise Latten oder Kanthölzer, trocknet oder hobelt das Holz. Gearbeitet wird nur auftragsbezogen, am Ende bleiben große Berge Späne zurück, die acht LKW am Tag füllen. Diese Nebenprodukte zweier Sägelinien in Stockum-Püschen für dickes wie dünnes Holz seien doch „viel zu schade, um daraus nichts zu machen“, betont Stefan Hansen. Darum habe von Anfang an festgestanden: „Damit produzieren wir umweltfreundliche Holzpellets.“

Es wurde bereits damit begonnen, auf dem Gelände einen Spänevorrat anzulegen, damit Rohstoff vorhanden ist, wenn die Presse eingeschaltet werden kann.

Zwischen der „Sägeindustrie Hassel“ sowie den WWP und ihrem Gründer Markus Mann gab es stets ein enges Verhältnis. Eine Zeitlang waren Ulf und sein Sohn Oliver Hassel wichtige Spänelieferanten für die WWP. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit Partnern, mit denen Familie Hassel gut kooperiert hat, ebenfalls wunderbar klarkommen“, zwinkert Stefan Hansen. So habe er auch Markus Mann kennengelernt, der mit seinem Wissen rund um die Pelletherstellung – schließlich errichtete der Energiepionier 2001 die erste großtechnische Pelletproduktion der Nation – beim Aufbau und Start in Stockum-Püschen hilft. Außerdem werden die WWP die Holzpellets, die Hansen und Zeinler in selber Güte herstellen wollen, vermarkten und mit der immer mehr auf Elektroantrieb umgestellten WWP-LKW-Flotte ausliefern.

Es gibt wirklich noch etliche Kabel – neben dem 20.000-Volt-„Draht“ –, die verlegt werden müssen, ehe in Rotenhain auch nur ein einziges Kilogramm Holzpellets gepresst werden kann. Doch Stefan Hansen strahlt überzeugende Zuversicht aus, dass alles bis dahin rechtzeitig fertig werden und der geplante Start des Pelletwerks im April klappen wird.

Der Steinbruch im örtlichen Basaltberg „Stöffel“ wurde 1890 eröffnet. Elektrisches Licht gibt es in Stockum-Püschen erst seit einem Jahrhundert. Die aktuelle Baustelle im zur Verbandsgemeinde Westerburg gehörenden Ort schafft die seither wohl bedeutsamste Neuerung dort.

Uwe Schmalenbach

Enorme Wirkung: Wie eine Sparkasse CO2 spart

Die Umrüstung begann im Juli 2022, inzwischen ist der gelbe Gashahn für alle Zeiten zu: Die Sparkasse Westerwald-Sieg hat die frühere Erdgas-Heizung in ihrer Geschäftsstelle in Kirchen (Sieg) durch eine moderne Pelletfeuerung ersetzen lassen. Damit spart das Geldinstitut nicht nur eine Menge Energie und vor allem CO2 ein. Zugleich kommt der Brennstoff jetzt nicht mehr aus Ländern wie Russland, sondern aus der heimischen Region: Anstelle von importiertem Erdgas, heizt die Sparkasse nunmehr mit Westerwälder Holzpellets aus Langenbach bei Kirburg.

Ein Bild großer Symbolkraft: das Absperrventil ist zu, das Gas wurde im wahrsten Sinne des Wortes abgedreht.

Die Bank hat in ihrem „Beratungs-Center“ in der Achteinhalbtausend-Einwohner-Stadt im Siegtal seit dem Sommer 2019 eine Reihe Umbauten durchgeführt.

Zusätzliche Beratungsräume entstanden, der SB-Bereich wurde verändert oder die Beleuchtung in den von der Neugestaltung betroffenen Bereichen des Gebäudes im Rahmen des Modernisierungskonzepts auf LED umgerüstet.

Vor eineinhalb Jahren machte man sich außerdem daran, die Heizung zu erneuern: Förderanträge wurden gestellt, Angebote eingeholt. Die daraufhin vom Heizungsbauer Schacht und Brederlow aus Daaden installierte Pelletfeuerung leistet heute 49 Kilowatt und wird von einem Mikroprozessor gesteuert. „Durch diese moderne Anlage spart die Sparkasse Westerwald-Sieg fünf Prozent ihres Gesamtverbrauchs über alle Geschäftsstellen ein“, hebt Peter Mohr von der Sparkassen-Kommunikation hervor.

Die neue Heizung der Sparkasse wird mit Westerwälder Holzpellets praktisch klimaneutral betrieben. Foto: Schmalenbach

Christian Hebgen ist Bauingenieur sowie ausgebildeter Energieberater und bei dem Geldinstitut im Gebäudemanagement aktiv. Er schildert, dass ein Aspekt der Entscheidung für die Holzpellet-Heizung der Kostenfaktor gewesen sei. So konnte eine bestehende Fußbodenheizung weiter genutzt werden, die nun mit von Westerwälder Holzpellets erwärmtem Wasser arbeitet. Derzeit gibt es laut Hebgen weitere Planungen für die Kirchener Sparkasse, etwa den Umbau der Lüftungsanlage, die dabei eine Wärmerückgewinnung erhalten soll, was ergänzend Energie einsparen wird.

Welche enormen Auswirkungen solcherlei energetische Sanierungen – über rein finanzielle Faktoren hinaus – haben, zeigt ein Blick auf die CO2-Bilanz der Sparkassen-Filiale: Die alte Gasheizung benötigte jährlich stolze 150.000 Kilowattstunden des fossilen Brennstoffs! Dass anstelle des Erdgases nun Westerwälder Holzpellets eingesetzt werden, spart im Jahr über 37 Tonnen klimaschädliches CO2 ein!

„Vorteile wie wir haben nur wenige Azubis“

Deutsch konnten die beiden schon bemerkenswert gut, ehe sie sich aufmachten – in ein weit entferntes und für sie völlig fremdes Land. Vor dem Abflug aus Ecuador, bevor sie den zwölfstündigen Flug von Guayaquil nach Amsterdam und die Weiterreise nach Langenbach bei Kirburg antraten, hatten sie „ein Interview mit Markus“, berichtet Luis Alfredo Mata Torres, „quasi ein Vorstellungsgespräch per Video.“ Danach fiel die Entscheidung: Er und Pedro Ricardo Martínez Escobedo wollten gerne in den Westerwald kommen, um hier, bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und bei „MANN Naturenergie“, eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik zu absolvieren.

Luis‘ Eltern waren mit dem Gedanken, dass der Sohn für immer nach Deutschland gehen könnte, vertraut: Seine Schwester ist schon vor Jahren in die USA übergesiedelt, „so dass meine Eltern an eine solche Situation gewöhnt sind.“ Fotos: Schmalenbach

Die beiden jungen Männer sind überaus fröhliche, höfliche Zeitgenossen und sehr glücklich, wie sie hervorheben, dass sie die Chance zu einem solchen Start in eine solide Berufslaufbahn im Norden von Rheinland-Pfalz erhalten. Vermutlich auch deswegen hört man von ihnen keine einzige kritische Silbe über ihre neue Heimat.

Gleichwohl kann man sich unschwer ausmalen, wie groß der Kulturschock beim Eintreffen in unserem Land zunächst gewesen sein könnte: eine fremde Landschaft, ein völlig anderes, erheblich kälteres Wetter, Dialekte in einer ohnehin ungewohnten Sprache, deren plattdeutsche Begriffe sich manches Mal schon von Weitefeld bis Daaden unterscheiden. In Ecuador gibt es den Amazonas-Dschungel, den Regenwald, den Pazifischen Ozean – hier vom Borkenkäfer zerlegte Fichtenbestände, die Arnika auf der Fuchskaute, den Wiesensee. Während der Westerwald ein sanft gewelltes Mittelgebirge ist, ragt der höchste Berg in Ecuadors Anden fast zehnmal so hoch in den Himmel wie der Stegskopf!

Luis‘ Heimat Guayaquil ist eine pulsierende Hafenstadt. Die Metropole ist die größte Ecuadors und hat inzwischen schätzungsweise über drei Millionen Einwohner – verglichen mit insgesamt 514.000, die in den drei Westerwälder Landkreisen zusammenkommen!

In der WWP-Elektrowerkstatt hat Luis einen Platz, an dem er nach Belieben Schaltungsvarianten zum Üben aufbauen kann.

Pedro sieht in seiner Ausbildung – hier im Pelletwerk der WWP – eine gute Basis für seinen beruflichen Lebensweg. Foto: WWP

Anders als Guayaquil, ist Pedros Heimatstadt zwar vergleichsweise klein. In Esmeraldas, im Norden des Andenstaates direkt an der Küste des Pazifiks gelegen, leben gut 150.000 Menschen – mithin jedoch deutlich mehr als im gesamten Kreis Altenkirchen. Die Entfernung zwischen Guayaquil und Esmeraldas beträgt etwa 360 Kilometer (Luftlinie).

Seit September sind die beiden Ecuadorianer im Westerwald – und fühlen sich überaus wohl. „Es war immer mein Traum, im Ausland etwas zu lernen. Ich finde, diese Gelegenheit ist ein guter Anfang für meinen beruflichen Lebensweg!“, freut sich Luis. „Viele Sachen, die ich hier sehe, sind neu für mich. Hier gibt es Windkraftanlagen, Photovoltaik, alles mit Erneuerbaren: das ist besonders toll! Es ist gut für die Umwelt. Ich bin sehr stolz, hier zu arbeiten! Es ist absolut toll hier“, fügt Pedro an.

Zustande gekommen sind die Ausbildungsverhältnisse über „PAM“, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgelegte Programm mit dem ungelenken Namen „Partnerschaftliche Ansätze für entwicklungsorientierte Ausbildungs- und Arbeitsmigration“. Es soll helfen, den inzwischen erheblichen Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen.

Ursprünglich habe er viel darüber gegrübelt, ob er den Schritt wirklich wagen, die Heimat verlassen und ins Ausland auf einem anderen Kontinent gehen wolle, räumt Luis ein, der in Ecuador bereits eine Ausbildung und Prüfung zum Elektriker absolviert hatte. „Aber im letzten Jahr vor dem Flug hierher in den Westerwald nicht mehr: da stand mein Entschluss fest.“ Die Erfahrung eines mehrmonatigen USA-Aufenthaltes bestärkte ihn. „Da bin ich gut klargekommen – und habe lange abgewogen, ob ich auf dieser Erfahrung den nächsten Schritt gehen möchte.“

Neun Monate hat der 21-Jährige in seinem Heimatland Deutsch gelernt, zwei Stunden täglich an einer Sprachschule. „Aber es liegt natürlich an jedem selbst“, stellt Luis heraus, „jetzt hier im Westerwald nach der Berufsschule oder Arbeit noch mehr Zeit in das Lernen der Sprache zu investieren.“ Die schon weit fortgeschrittene Integration helfe dabei: Die Azubis treiben mit Kollegen und Nachbarn Sport und sind gerne dabei, wenn es mal eine gemütliche Runde mit einem „Hachenburger“ gibt oder es zum Weihnachtsmarkt geht.

Pedro hat bei einem Halbmarathon mit Westerwälder Sportkameraden im selben Bein schon einen Muskelfaserriss erlitten.

„Es ist ganz anders hier als in Ecuador“, lächelt Luis, „das kann ich sicher sagen. Doch was ich hier sehr schön finde: dass die Leute sehr nett sind!“ Fremdenfeindlichkeit habe er niemals bemerkt. „Bislang hat alles sehr gut geklappt, ich fühle mich wohl hier.“ Das Wetter sage ihm ebenfalls zu, wenngleich er aus Ecuador selbst im Winter Temperaturen um die 17 bis 20 Grad Celsius gewöhnt gewesen sei: „Mir gefällt die Hitze eigentlich gar nicht. Deswegen finde ich es hier im Westerwald ganz angenehm.“ „Bei uns in Ecuador sind es immer über 20 Grad warm gewesen. Als wir hierher kamen, hatten wir dicke Winterjacken an – es waren acht Grad und wir haben schon gefroren“, erzählt Pedro lachend, „aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt.“

Apropos Winter: Pedro hatte beim ersten Kälteeinbruch direkt Pech. Als vor einer Weile ein „Glatteis-Montag“ den Norden von Rheinland-Pfalz lahmlegte und selbst gestandene Wäller, wie die Westerwälder sich selbst nennen, lieber daheim blieben, als zur Arbeit zu gehen, trat der pflichtbewusste Auszubildende dennoch aus dem Haus – und hatte bedauerlicherweise noch kein Gefühl dafür, dass es bereits auf dem ersten Meter vor der eigenen Haustür gefährlich glatt sein könnte… Bei einem Sturz zog er sich einen Bruch des Oberschenkels zu, musste umgehend in Koblenz operiert werden und läuft derzeit weiter an Krücken. „Das Krankenhaus war komplett voll mit Menschen, die bei den Witterungsbedingungen ausgerutscht sind“, blickt er zurück.

Insgeheim ärgert sich Pedro sehr, so ist ihm anzumerken, dass er seinem Ausbildungsbetrieb wegen des Unfalls vorübergehend nicht zur Verfügung stehen kann und im März erst noch eine Reha antreten muss – ein bemerkenswertes Pflichtgefühl, das ihn an jenem Morgen ja auch aus dem Haus getrieben hatte.

In diesem Haus leben Luis und Pedro in einer Werkswohnung auf dem Gelände der WWP. Die sei „sehr schön und super praktisch“, strahlt Luis. „Und sehr großzügig: Markus Mann lässt uns hier kostenlos wohnen!“, ergänzt Pedro. Er findet es außerdem wunderbar, dass er mit Luis gemeinsam in der Werkswohnung lebt: „Wir verstehen uns gut. Und wenn ich etwas nicht begreife, dann hilft er mir und umgekehrt. Manches Mal lernen wir nach Feierabend gemeinsam Theorie für die Berufsschule.“

Luis wie Pedro finden es eher praktisch, dass sie auf dem Gelände wohnen, auf dem sie ebenso arbeiten: „Nur eine Minute Arbeitsweg! Das ist cool!“ Pedro unterstreicht: „Herr Mann war sehr nett zu uns, dass er uns diese Wohnung angeboten hat. Das hilft uns viel, denn wir müssen so fürs Wohnen nichts bezahlen und auch keine eigene Wohnung suchen. Ebenso das elektrische Firmenfahrzeug, das wir gratis nutzen dürfen: solche Vorteile wie wir haben nur wenige Azubis!“

Oft essen Pedro und Luis gemeinsam, letzterer kocht in Langenbach. „Ich bin inzwischen ganz gut darin“, sagt Luis. Natürlich vermisse er einige Zutaten, die in Ecuador zu bekommen sind. „Aber es geht: Wenn du Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch hast, kannst du schon viele Sachen machen – für mich am liebsten mit Nudeln.“

Luis ist 21 Jahre alt und hat eine ältere Schwester (30) sowie einen älteren Bruder (32). Die Familie habe ihn in seinen Plänen unterstützt, ins Ausland zu gehen, nickt er. Seine Freundin studiert derweil Psychologie in Ecuador, will perspektivisch jedoch ebenso wie ihr Freund in Deutschland arbeiten. Sie lernt bereits Deutsch. Das junge Paar möchte nach dem Studium von Luis‘ Freundin gemeinsam in Deutschland leben.

Luis plant, nach der Ausbildung ein Elektrotechnik-Studium anzuhängen. „Physik gefällt mir“, beschreibt er. Er denke darüber nach, erneuerbare Energien als Wahlschwerpunkt zu setzen. Zwar hat er in seinem Heimatland bereits vier Semester eines Studiums zum Elektroingenieur hinter sich. „Aber das Ding ist, dass es in Ecuador nicht dieselben guten Arbeitsbedingungen gibt wie in Deutschland.“ Er wolle eine Familie gründen, und für sie verspricht er sich genauso in Deutschland eine bessere Zukunft, als in dem Land im Westen von Südamerika. Mit den Kenntnissen, die er hier in Europa erwerbe, könne er Markus Manns weiteren Weg unterstützen, „einen kleinen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten“.

„Es ist schon cool, was die hier machen“, freut sich der 21-Jährige über seine Ausbildungsstätte, „vollelektrische Lkw in drei oder vier Stunden mit Strom vollzuladen, der mit Photovoltaik und Windenergie selbst produziert worden ist, nur regenerative Energie! Es ist schon cool hier“, bekräftigt er abermals. „Und es funktioniert mit den Erneuerbaren. Sieh dir die vielen Elektro-Autos an, die mit dem Logo der WWP hier überall im Westerwald herumfahren: Jeden Tag siehst du, wie sie hier unterwegs sind!“

Auch „das ganz kleine“ sei zu sehen, schmunzelt Luis und denkt an den elektrischen „smart fortwo passion ed“, der ihm und Pedro von ihrem Ausbildungsbetrieb zur Verfügung gestellt wird, damit sie sich – kostenlos – in der Region bewegen und in der Freizeit etwas unternehmen können.

Luis grinst, als er auf den Freizeitbereich angesprochen wird: „Ich habe zu Anfang meine Kollegen gefragt: ‚Was kann ich hier für Spaß machen?‘ ‚Ja, du kannst laufen, Rad fahren, das Kino in Hachenburg besuchen, zum Bowling in Bad Marienberg gehen – mehr nicht.‘“ Das sei schon ein Unterschied zum überbordenden Freizeitangebot in der Metropole Guayaquil mit ihren zahlreichen Clubs und Bars. „Aber das war in Ecuador ohnehin nicht mein Livestyle. Ich bin der, der am liebsten zu Hause bleibt und vielleicht mal ein Videospiel zockt.“

Luis‘ Vater war einst Soldat, wurde dann Anwalt. Die Mutter hat ein Studium als Pflegerin in der Lungenheilkunde absolviert, ist inzwischen Hausfrau „und hat uns sehr gut erzogen“, blickt Luis zurück. Seine Mutter freue sich nun selbstverständlich schon sehnsüchtig auf den ersten Heimatbesuch des nach Deutschland verzogenen Sohnes. „Dann muss ich mit den Dingen, die ich hier bei der MANN-Gruppe schon gelernt habe, sicher alles Mögliche in ihrem Haus reparieren“, lacht der 21-Jährige. Die beiden telefonieren häufig, fast jeden Tag. „Meine Mutter hat sehr, sehr gut auf uns Kinder aufgepasst. Daher finde ich es nötig, dass ich sie heute mindestens drei-, viermal die Woche anrufe, um ihr zu sagen, dass es mir gut geht.“

„Ich habe mein ganzes Leben am Strand verbracht und sage immer, dass ich mein ganzes Leben im Urlaub war“, erzählt Pedro augenzwinkernd über seine Herkunft aus der Küstenstadt Esmeraldas. Es war einer seiner Brüder, der ihn auf die Möglichkeit der Ausbildung in Deutschland aufmerksam machte. Viele Bilder hat er sich zu Hause angesehen, eine Menge über die Geschichte Deutschlands gelesen. „Das alles hat mich neugierig gemacht, und daraufhin habe ich mich entschieden: Ich will nach Deutschland fliegen! Es interessiert mich, wie Dinge hier angegangen werden.“ Versuche es mal, wir werden sehen, was passiert – das sei dabei sein Motto gewesen, als er beschloss, zu den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) zu gehen. „Also habe ich meinen Lebenslauf hergeschickt – und jetzt bin ich schon hier“, strahlt Pedro.

Familie und Freunde unterstützten den 22-Jährigen bei seinem Vorhaben, in den Westerwald zu gehen. „Wenn du das machen möchtest, dann mache es“, habe er meist gehört, als er seine Idee verriet. „Doch als dann der Moment der Abreise kam, waren alle trotzdem traurig, weil ich ja sehr, sehr weit weg bin.“

Er habe daheim in Südamerika eine Vorstellung gehabt, wie er sprachlich in Deutschland zurechtkommen würde, nachdem er ebenso wie Luis bereits neun Monate lang Deutsch gelernt hatte. „Doch als ich hier angekommen bin, da ist alles ganz anders gewesen“, erläutert Pedro. „Ich habe die Menschen hier sprechen gehört – und mich gefragt: ‚Was habe ich bloß gelernt? Welche Sprache?‘ Denn ich konnte leider gar nicht verstehen, was die Leute hier sagten.“ Ja, der Dialekt sei schwierig, „doch inzwischen verstehe ich meine Kollegen, was sie sagen. Das ist gut! Wir haben sogar schon ein paar Freunde hier in Langenbach gefunden. Die Leute hier sind sehr nett, geradezu liebevoll.“

Pedro führt aus, dass sich „viele Leute hier erschrecken, wenn ich die Anzahl meiner Geschwister nenne, sie ist für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich: Wir sind neun Geschwister.“ Von ihnen seien welche in Kanada, den USA oder auch Honduras – und nun kommt der Westerwald hinzu.

Hohe Arbeitslosigkeit in Ecuador, die wirtschaftliche Perspektive ist eher schlecht, die Kriminalität ein enormes Problem (siehe unten). „Ich bin nicht stolz, das zu schildern“, legt Pedro die Stirn in Falten, „denn ich bin Ecuadorianer. Ecuador ist ein sehr schönes Land, bietet viele verschiedene Landschaften, etliche besondere Tiere leben dort. Aber die Politik ist korrupt, es gibt jetzt geradezu Chaos im Land. Selbst wenn man ein Studium, eine Ausbildung abgeschlossen hat, findet man kaum einen Job. Nur, wenn du aus einer reichen, privilegierten Familie kommst, kannst du etwas kriegen – aber sonst nicht! Das ist schlecht. Für viele Menschen in unserem Land ist Bildung schwer zu erreichen: Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihrer Familien müssen sie die Schule abbrechen und Gelegenheitsjobs annehmen – häufig in Verhältnissen, die in Deutschland unter Schwarzarbeit fallen würden.“ Er hingegen habe das Glück, in Deutschland eine Ausbildung bei den WWP zu erhalten, zeigt sich Pedro abermals dankbar. „Damit kann ich für mein späteres Leben eine erheblich bessere Basis legen.“

In Ecuador hat er als Taxifahrer gearbeitet, ebenso zwei Jahre in der Apotheke einer Tante „und verschiedene Aushilfsjobs – ich habe viel gearbeitet, in unterschiedlichsten Bereichen; einfach, um an Geld zu kommen. Doch ich bin stets neugierig gewesen, wie Elektrizität funktioniert, wie Geräte mit Strom betrieben werden. Das hat mir Spaß gemacht – darum habe ich zu Hause einige Apparate auseinandergenommen“, lacht er, „Ventilatoren und andere.“

Luis ist stolz auf die Vorzüge bei den WWP wie diesen vollelektrischen „smart“, der ihm und Pedro auch in der Freizeit zur Verfügung steht.

Pedro kann sich im Augenblick nicht mehr vorstellen, irgendwann nach Ecuador zurückzugehen. Zwar wisse er nicht, „was die Zukunft für mich bereit hält“. Doch allein seine Erfahrung rund um seinen bedauerlichen Unfall bestärke ihn, dass Deutschland ein tolles Land ist: „Hier habe ich alle medizinische Hilfe über die Krankenversicherung bezahlt bekommen; anders als bei uns. Alle haben sich um mich gekümmert. Das Krankenhaus in Koblenz ist sehr gut. Sogar das Essen dort hat mich angenehm überrascht, es war ziemlich gut.“

Wenn Pedro wieder ganz gesund ist, will er Mitglied der von MANN unterstützten „MANNschaft“ werden, des Vereins zur Förderung des Ausdauersports e. V. Darüber hinaus besuchen Luis und Pedro weiterhin einen Sprachkurs, er findet in Wirges statt. Denn Deutsch, das sei schon etwas ganz anderes als Spanisch, erklärt Luis: „Bei uns ist die Sonne auf Spanisch männlich, ‚el sol‘. Hier ist sie weiblich, es ist ‚die Sonne‘.“ Wobei das in Südamerika gesprochene Spanisch sich von dem in Madrid oder Barcelona deutlich unterscheide, ergänzt er.

Ihm wie Pedro ist bewusst, das heben sie wieder und wieder hervor, dass speziell Fachkenntnisse im Bereich Elektrotechnik und Elektronik viele Jahre besonders stark gebraucht werden, soll die Energiewende klappen und die weltweite Herausforderung des Klimawandels wirksam angegangen werden. Dass sie im Westerwald die Möglichkeit bekommen, künftig daran mitzuwirken, erfülle sie beide mit Stolz, stellen die zwei Südamerikaner heraus. Pedro betont, er wolle, wenn er einmal Urlaub habe, unbedingt für ein paar Tage nach Ecuador zurück fliegen. Und seiner Familie und allen Freunden erzählen, wie großartig es in Deutschland ist.

Uwe Schmalenbach


Unruhiger Andenstaat

Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen über die Heimat der beiden super sympathischen Azubis: „Die Kriminalitätsrate und Gewaltbereitschaft ist hoch. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle kommen insbesondere in den Großstädten an von Touristen sehr frequentierten Orten vor.

Ein erhöhtes Risiko, Opfer eines Diebstahls, Raubüberfalls oder anderen Gewaltverbrechens zu werden, besteht vor allem in den Metropolen Guayaquil und Quito und Cuenca, sowie an der Küste. (…) In der gesamten Grenzregion zu Kolumbien besteht ein erhöhtes Risiko, Opfer von Entführungen und von Aktivitäten bewaffneter, mit dem Drogenhandel in Verbindung stehender Gruppen zu werden. (…) Das Risiko für Überfälle ist in der Provinz Esmeraldas, der Küstengegend in und um die Stadt Esmeraldas sowie bei Besuchen der Stadt Santo Domingo besonders hoch.“

Zweiter Elektro-Lkw ist da

Just auf dem Hof der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) angekommen: dieser neue Elektro-Lkw! Seine Batterie speichert satte 450 Kilowattstunden Energie. Der 666 PS starke Volvo ist der zweite vollelektrische Lastwagen der WWP. Mit ihm wird die beachtliche Nutzlast von 32 Tonnen durch die Region bewegt.

Fahrer Volker Schütz wird den Volvo einsetzen, um lose Westerwälder Holzpellets im Siloauflieger zu umweltschonend heizenden Kunden zu fahren. In den nächsten Tagen wird das neue Fahrzeug noch foliert und bekommt dabei den bekannten WWP-Look.

Froh über den damaligen Rat des Chefs

Eigentlich hatte Ruben Ermert nach dem Abitur eine Ausbildung zum Industriemechaniker beginnen wollen, wie der Beruf des Schlossers heute heißt. Doch Markus Mann, Geschäftsführer von Ermerts Arbeitgeber „Westerwälder Holzpellets“ (WWP), insistierte: „Werde besser Mechatroniker – heute ist überall ein Kabel dran!“ Diese Lehre hat der 23-Jährige im gerade abgelaufenen Jahr beendet – als bester Mechatroniker (punktgleich mit einem zweiten Erstplatzierten) unter insgesamt 5.000 Azubis vom Koch bis zum Edelsteinschleifer im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Koblenz. Einen anderen Arbeitsplatz als die WWP könne er sich nicht mehr vorstellen, betont der Erfolgreiche.

Im Alltag hat der Mechatroniker mit Arbeiten zu tun, bei denen im Wortsinn die Funken fliegen…

Seinen Spitznamen trug Ruben Ermert die Begeisterung seiner Eltern für ein altes Gefährt ein. „Ich hab‘ zu viel vom Traktor geredet“, lacht er nur auf die Frage, wieso ihn alle Kollegen „Eicher“ rufen. Eicher, das war ein im Oberbayerischen vor dem Zweiten Weltkrieg gegründeter Hersteller von Traktoren. Ruben Ermerts Eltern besitzen einen solchen, gut erhaltenen aus dem Baujahr 1961. Die Technikbegeisterung des Sohns ließ ihn am Arbeitsplatz von der Landmaschine im Elternhaus schwärmen. Knackt der Funk, mit dem er während eines Bereitschaftsdienstes zu einer Störung auf dem WWP-Betriebsgelände gerufen wird, verlangt das Gegenüber darum heute zumeist nach „Eicher“.

…und ebenso mit elektrischen und elektronischen Komponenten. Fotos: Schmalenbach

„Ich habe daheim immer gewerkelt, geschraubt. Im Kinderzimmer gab es stets Technikspielzeug“, erzählt Ruben Ermert. Bereits als Schüler hat er bei den WWP gejobbt, meist rund um das Biomasse-Heizkraftwerk. So ist er nunmehr alles in allem schon seit neun Jahren dort tätig; die Lehre zum Mechatroniker dauert dreieinhalb Jahre. Seine hat Ermert allerdings um ein halbes Jahr verkürzt.

Das erste Ausbildungsjahr brachte „Eicher“ an der „GLW Westerwald“, der Gemeinschaftslehrwerkstatt für berufliche Bildung und Metalltechnologie in Altenkirchen, zu. „Da habe ich viel lernen können“, sagt der frischgebackene Mechatroniker. Ab dem zweiten Jahr hat er im Rahmen der dualen Ausbildung bei den WWP mitgearbeitet und die Berufsschule besucht. Der Unterricht an der Berufsbildenden Schule Betzdorf-Kirchen sei ihm eher leicht gefallen. Mit den Kollegen bei den WWP habe er in jener Zeit „viel gemacht und sehr viel von ihnen abgucken können.“

Und nun ist der 23-Jährige der bislang einzige Mechatroniker bei den WWP, während seine Kollegen Anlagenführer, Schlosser oder Elektriker sind. „Eigentlich alles“ gehöre zu seinen Aufgaben, das mit Strom UND Mechanik zu tun hat, erklärt der aus Oberdreisbach Stammende, der heute in Schutzbach lebt.

Selbstverständlich lerne man bei der Arbeit weiterhin jeden Tag etwas dazu, unterstreicht Ruben Ermert, „wenngleich die eigentliche Ausbildung abgeschlossen ist. Außerdem haben so viele Kollegen so viele spezielle Erfahrungen, von denen man profitieren kann.“ Nach einer kurzen Sprechpause ergänzt er: „Ich kann mir keinen besseren Arbeitsplatz vorstellen – auch vom Chef her! Wenn man hier bei den WWP etwas will und etwas kann, bekommt man unheimlich viel Unterstützung – das ist Wahnsinn!“ Die vielen Neuerungen bei dem Unternehmen seien ein weiterer Anreiz. Ständig werde etwas optimiert, werde daran getüftelt, wie weniger Energie verwendet werden kann bei gleichen Ergebnissen und ganz generell am Umbau der Energieversorgung hin zu den Erneuerbaren gearbeitet.

Um sich noch stärker einbringen zu können, hat Ruben Ermert direkt an seine Lehrzeit eine weitere Fortbildung angeschlossen: Während der nächsten vier Jahre will der junge Westerwälder seinen „Techniker Maschinentechnik – Fachrichtung Mechatronik“ schaffen. Komplett berufsbegleitend absolviert er bereits seit vergangenem September zwölf Stunden je Woche in der Abendschule. Am Samstag ist ebenso Unterricht, „und man muss sich zusätzlich mal hinsetzen und lernen“, schildert Ruben Ermert.

Ruben Ermert wählt im WWP-Ersatzteillager einen Austauschmotor für den Förderweg im Pelletwerk aus.

Viel Zeit für etwas anderes als die Arbeit und die Weiterbildung bleibt daneben wohl kaum. Der Mechatroniker schmunzelt nur: Diese Phase gehe schließlich vorbei, und er wolle halt persönlich vorankommen, sich noch umfangreicher qualifizieren und diese Qualifikation bei den WWP einbringen. Zumal er dort auf diesem nächsten Lebensabschnitt abermals „super gefördert“ werde. Deswegen will Ruben Ermert auch mit der erreichten Zusatzqualifikation als Techniker, die laut „Deutschem Qualifikationsrahmen“ (DQR) dem Niveau 6 entspricht und mit einem Bachelor gleichrangig ist, unbedingt bei dem Energieversorger in Langenbach bleiben.

Über den seinerzeitigen Rat seines Chefs Markus Mann ist Ruben Ermert bei alledem bis heute sehr froh, wie er herausstellt: „Ich hätte mich geärgert, hätte ich anstelle der Mechatroniker-Ausbildung ‚nur‘ den Industriemechaniker gemacht.“

Uwe Schmalenbach