„Es ist ganz anders hier als in Ecuador“, lächelt Luis, „das kann ich sicher sagen. Doch was ich hier sehr schön finde: dass die Leute sehr nett sind!“ Fremdenfeindlichkeit habe er niemals bemerkt. „Bislang hat alles sehr gut geklappt, ich fühle mich wohl hier.“ Das Wetter sage ihm ebenfalls zu, wenngleich er aus Ecuador selbst im Winter Temperaturen um die 17 bis 20 Grad Celsius gewöhnt gewesen sei: „Mir gefällt die Hitze eigentlich gar nicht. Deswegen finde ich es hier im Westerwald ganz angenehm.“ „Bei uns in Ecuador sind es immer über 20 Grad warm gewesen. Als wir hierher kamen, hatten wir dicke Winterjacken an – es waren acht Grad und wir haben schon gefroren“, erzählt Pedro lachend, „aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt.“
Apropos Winter: Pedro hatte beim ersten Kälteeinbruch direkt Pech. Als vor einer Weile ein „Glatteis-Montag“ den Norden von Rheinland-Pfalz lahmlegte und selbst gestandene Wäller, wie die Westerwälder sich selbst nennen, lieber daheim blieben, als zur Arbeit zu gehen, trat der pflichtbewusste Auszubildende dennoch aus dem Haus – und hatte bedauerlicherweise noch kein Gefühl dafür, dass es bereits auf dem ersten Meter vor der eigenen Haustür gefährlich glatt sein könnte… Bei einem Sturz zog er sich einen Bruch des Oberschenkels zu, musste umgehend in Koblenz operiert werden und läuft derzeit weiter an Krücken. „Das Krankenhaus war komplett voll mit Menschen, die bei den Witterungsbedingungen ausgerutscht sind“, blickt er zurück.
Insgeheim ärgert sich Pedro sehr, so ist ihm anzumerken, dass er seinem Ausbildungsbetrieb wegen des Unfalls vorübergehend nicht zur Verfügung stehen kann und im März erst noch eine Reha antreten muss – ein bemerkenswertes Pflichtgefühl, das ihn an jenem Morgen ja auch aus dem Haus getrieben hatte.
In diesem Haus leben Luis und Pedro in einer Werkswohnung auf dem Gelände der WWP. Die sei „sehr schön und super praktisch“, strahlt Luis. „Und sehr großzügig: Markus Mann lässt uns hier kostenlos wohnen!“, ergänzt Pedro. Er findet es außerdem wunderbar, dass er mit Luis gemeinsam in der Werkswohnung lebt: „Wir verstehen uns gut. Und wenn ich etwas nicht begreife, dann hilft er mir und umgekehrt. Manches Mal lernen wir nach Feierabend gemeinsam Theorie für die Berufsschule.“
Luis wie Pedro finden es eher praktisch, dass sie auf dem Gelände wohnen, auf dem sie ebenso arbeiten: „Nur eine Minute Arbeitsweg! Das ist cool!“ Pedro unterstreicht: „Herr Mann war sehr nett zu uns, dass er uns diese Wohnung angeboten hat. Das hilft uns viel, denn wir müssen so fürs Wohnen nichts bezahlen und auch keine eigene Wohnung suchen. Ebenso das elektrische Firmenfahrzeug, das wir gratis nutzen dürfen: solche Vorteile wie wir haben nur wenige Azubis!“
Oft essen Pedro und Luis gemeinsam, letzterer kocht in Langenbach. „Ich bin inzwischen ganz gut darin“, sagt Luis. Natürlich vermisse er einige Zutaten, die in Ecuador zu bekommen sind. „Aber es geht: Wenn du Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch hast, kannst du schon viele Sachen machen – für mich am liebsten mit Nudeln.“
Luis ist 21 Jahre alt und hat eine ältere Schwester (30) sowie einen älteren Bruder (32). Die Familie habe ihn in seinen Plänen unterstützt, ins Ausland zu gehen, nickt er. Seine Freundin studiert derweil Psychologie in Ecuador, will perspektivisch jedoch ebenso wie ihr Freund in Deutschland arbeiten. Sie lernt bereits Deutsch. Das junge Paar möchte nach dem Studium von Luis‘ Freundin gemeinsam in Deutschland leben.
Luis plant, nach der Ausbildung ein Elektrotechnik-Studium anzuhängen. „Physik gefällt mir“, beschreibt er. Er denke darüber nach, erneuerbare Energien als Wahlschwerpunkt zu setzen. Zwar hat er in seinem Heimatland bereits vier Semester eines Studiums zum Elektroingenieur hinter sich. „Aber das Ding ist, dass es in Ecuador nicht dieselben guten Arbeitsbedingungen gibt wie in Deutschland.“ Er wolle eine Familie gründen, und für sie verspricht er sich genauso in Deutschland eine bessere Zukunft, als in dem Land im Westen von Südamerika. Mit den Kenntnissen, die er hier in Europa erwerbe, könne er Markus Manns weiteren Weg unterstützen, „einen kleinen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten“.
„Es ist schon cool, was die hier machen“, freut sich der 21-Jährige über seine Ausbildungsstätte, „vollelektrische Lkw in drei oder vier Stunden mit Strom vollzuladen, der mit Photovoltaik und Windenergie selbst produziert worden ist, nur regenerative Energie! Es ist schon cool hier“, bekräftigt er abermals. „Und es funktioniert mit den Erneuerbaren. Sieh dir die vielen Elektro-Autos an, die mit dem Logo der WWP hier überall im Westerwald herumfahren: Jeden Tag siehst du, wie sie hier unterwegs sind!“
Auch „das ganz kleine“ sei zu sehen, schmunzelt Luis und denkt an den elektrischen „smart fortwo passion ed“, der ihm und Pedro von ihrem Ausbildungsbetrieb zur Verfügung gestellt wird, damit sie sich – kostenlos – in der Region bewegen und in der Freizeit etwas unternehmen können.
Luis grinst, als er auf den Freizeitbereich angesprochen wird: „Ich habe zu Anfang meine Kollegen gefragt: ‚Was kann ich hier für Spaß machen?‘ ‚Ja, du kannst laufen, Rad fahren, das Kino in Hachenburg besuchen, zum Bowling in Bad Marienberg gehen – mehr nicht.‘“ Das sei schon ein Unterschied zum überbordenden Freizeitangebot in der Metropole Guayaquil mit ihren zahlreichen Clubs und Bars. „Aber das war in Ecuador ohnehin nicht mein Livestyle. Ich bin der, der am liebsten zu Hause bleibt und vielleicht mal ein Videospiel zockt.“
Luis‘ Vater war einst Soldat, wurde dann Anwalt. Die Mutter hat ein Studium als Pflegerin in der Lungenheilkunde absolviert, ist inzwischen Hausfrau „und hat uns sehr gut erzogen“, blickt Luis zurück. Seine Mutter freue sich nun selbstverständlich schon sehnsüchtig auf den ersten Heimatbesuch des nach Deutschland verzogenen Sohnes. „Dann muss ich mit den Dingen, die ich hier bei der MANN-Gruppe schon gelernt habe, sicher alles Mögliche in ihrem Haus reparieren“, lacht der 21-Jährige. Die beiden telefonieren häufig, fast jeden Tag. „Meine Mutter hat sehr, sehr gut auf uns Kinder aufgepasst. Daher finde ich es nötig, dass ich sie heute mindestens drei-, viermal die Woche anrufe, um ihr zu sagen, dass es mir gut geht.“
„Ich habe mein ganzes Leben am Strand verbracht und sage immer, dass ich mein ganzes Leben im Urlaub war“, erzählt Pedro augenzwinkernd über seine Herkunft aus der Küstenstadt Esmeraldas. Es war einer seiner Brüder, der ihn auf die Möglichkeit der Ausbildung in Deutschland aufmerksam machte. Viele Bilder hat er sich zu Hause angesehen, eine Menge über die Geschichte Deutschlands gelesen. „Das alles hat mich neugierig gemacht, und daraufhin habe ich mich entschieden: Ich will nach Deutschland fliegen! Es interessiert mich, wie Dinge hier angegangen werden.“ Versuche es mal, wir werden sehen, was passiert – das sei dabei sein Motto gewesen, als er beschloss, zu den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) zu gehen. „Also habe ich meinen Lebenslauf hergeschickt – und jetzt bin ich schon hier“, strahlt Pedro.
Familie und Freunde unterstützten den 22-Jährigen bei seinem Vorhaben, in den Westerwald zu gehen. „Wenn du das machen möchtest, dann mache es“, habe er meist gehört, als er seine Idee verriet. „Doch als dann der Moment der Abreise kam, waren alle trotzdem traurig, weil ich ja sehr, sehr weit weg bin.“
Er habe daheim in Südamerika eine Vorstellung gehabt, wie er sprachlich in Deutschland zurechtkommen würde, nachdem er ebenso wie Luis bereits neun Monate lang Deutsch gelernt hatte. „Doch als ich hier angekommen bin, da ist alles ganz anders gewesen“, erläutert Pedro. „Ich habe die Menschen hier sprechen gehört – und mich gefragt: ‚Was habe ich bloß gelernt? Welche Sprache?‘ Denn ich konnte leider gar nicht verstehen, was die Leute hier sagten.“ Ja, der Dialekt sei schwierig, „doch inzwischen verstehe ich meine Kollegen, was sie sagen. Das ist gut! Wir haben sogar schon ein paar Freunde hier in Langenbach gefunden. Die Leute hier sind sehr nett, geradezu liebevoll.“
Pedro führt aus, dass sich „viele Leute hier erschrecken, wenn ich die Anzahl meiner Geschwister nenne, sie ist für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich: Wir sind neun Geschwister.“ Von ihnen seien welche in Kanada, den USA oder auch Honduras – und nun kommt der Westerwald hinzu.
Hohe Arbeitslosigkeit in Ecuador, die wirtschaftliche Perspektive ist eher schlecht, die Kriminalität ein enormes Problem (siehe unten). „Ich bin nicht stolz, das zu schildern“, legt Pedro die Stirn in Falten, „denn ich bin Ecuadorianer. Ecuador ist ein sehr schönes Land, bietet viele verschiedene Landschaften, etliche besondere Tiere leben dort. Aber die Politik ist korrupt, es gibt jetzt geradezu Chaos im Land. Selbst wenn man ein Studium, eine Ausbildung abgeschlossen hat, findet man kaum einen Job. Nur, wenn du aus einer reichen, privilegierten Familie kommst, kannst du etwas kriegen – aber sonst nicht! Das ist schlecht. Für viele Menschen in unserem Land ist Bildung schwer zu erreichen: Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihrer Familien müssen sie die Schule abbrechen und Gelegenheitsjobs annehmen – häufig in Verhältnissen, die in Deutschland unter Schwarzarbeit fallen würden.“ Er hingegen habe das Glück, in Deutschland eine Ausbildung bei den WWP zu erhalten, zeigt sich Pedro abermals dankbar. „Damit kann ich für mein späteres Leben eine erheblich bessere Basis legen.“
In Ecuador hat er als Taxifahrer gearbeitet, ebenso zwei Jahre in der Apotheke einer Tante „und verschiedene Aushilfsjobs – ich habe viel gearbeitet, in unterschiedlichsten Bereichen; einfach, um an Geld zu kommen. Doch ich bin stets neugierig gewesen, wie Elektrizität funktioniert, wie Geräte mit Strom betrieben werden. Das hat mir Spaß gemacht – darum habe ich zu Hause einige Apparate auseinandergenommen“, lacht er, „Ventilatoren und andere.“