„Wir machen das hier heute alles in einem motorsportlichen Du – einverstanden?“ Nicken ringsum. Bei der morgendlichen Begrüßung und Einweisung aller Teilnehmer im „Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring“ signalisiert Instruktor Klaus bereits: das wird – wenngleich ebenso etwas gelernt werden soll – ein lockerer, vergnüglicher Tag. 30 Mitarbeiter von „MANN Naturenergie“ und den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) sind zu diesem Teamevent frühmorgens mit 26 vollelektrischen Pkw vom Westerwald aus in die Hocheifel gestartet.
Wobei: Nicht alle haben ihre Autos selbst bis zur berühmten Rennstrecke gesteuert. Ein zur inzwischen auf 45 E-Mobile angewachsenen Flotte elektrischer Firmenfahrzeuge gehörender „smart fortwo passion ed“ ist eigentlich nur für „Fahrten um den eigenen Kirchturm“ konstruiert und angeschafft worden. Und damit dessen vergleichsweise kleine Batterie im Fahrsicherheitszentrum noch genug „Saft“ für die dort zu absolvierenden Übungen hat, wird er, zusammen mit einem in die Jahre gekommenen BMW I3, „huckepack“ auf einem Tieflader zum Nürburgring geschafft. Der Tieflader wird dabei jedoch vom elektrischen „Volvo“ der WWP gezogen – der sonst Pellets ausliefert und ebenfalls mit 100 Prozent Ökostrom „getankt“ wird (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).
„Genau darum geht es uns ja“, erklärt Markus Mann später bei der Mittagspause zwischen verschiedenen Parcours, die er und die anderen Teilnehmer in den E-Autos absolvieren müssen: „Wir wollten den Fußabdruck unserer Mitarbeiter bei MANN und WWP mit den Elektro-Wagen reduzieren. Unsere Pellets zum Beispiel haben eine Bilanz von weniger als elf Kilogramm CO2 pro Tonne. Dadurch, dass unsere MANNschaft klimaneutral zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause fährt, verbessert sich die Gesamtbilanz natürlich zusätzlich. Aber wir möchten auch, dass alle heile ankommen in einem immer komplizierteren Straßenverkehr. Darum sind wir heute hier, der Tag ist für die Mitmachenden selbstverständlich kostenlos. Na, und Spaß haben wollen wir auch zusammen!“, lacht Mann.
Wie schnell es im Fahrsicherheitszentrum wirklich „richtig spaßig“ wird, hatten die in drei Gruppen aufgeteilten Teilnehmer gewiss nicht von Anfang an erwartet. Instruktor Klaus führt seine „Gruppe 3“ zu einem auf den ersten Blick „normal“ aussehenden „Skoda“. Doch der ist ein besonderes Auto: Er kann nur gefahren werden, wenn vorne und hinten je zwei Personen Platz nehmen – und richtig gut zusammenarbeiten! Denn der eigentliche Fahrer bedient lediglich Lenkrad und Schaltung. Ein Mitfahrer kuppelt, ein anderer gibt Gas, der vierte bremst. Und selbstverständlich geht es nicht allein darum, vom Fleck zu kommen! Vielmehr muss ein Slalom-Parcours absolviert werden, das ganze gleich zweimal mit vertauschten Rollen und außerdem auf Zeit…
So, wie auch auf der Straße aus Spaß unerwartet schnell Ernst werden kann, ist anschließend volle Konzentration beim Kurvenfahren auf einem rutschigen Untergrund gefragt, der im realen Leben etwa plötzlich hinter der nächsten Kurve im Wald auftauchen könnte.
„Die Lenktechnik ist entscheidend; wir versuchen immer, mit der kurvenäußeren Hand zu schieben, nicht reinzugreifen, nicht an der Lenkung zu reißen, sondern wirklich gefühlvoll schieben anstatt zu ziehen“: Während des ganzen Tages leitet Instruktor Klaus, ebenso wie seine beiden Kollegen Alex und Hubert, die ihrerseits je eine Teilnehmergruppe betreuen, die WWP- und MANN-Mitarbeiter über ein Funkgerät an, das jeder in sein Elektroauto bekommen hat. „Die Blicktechnik ist ebenfalls entscheidend beim Kurvenfahren“, knackst es da schon wieder aus dem Gerät, das Ramon und Patrick in ihrem gemeinsam genutzten Pkw dabei haben. „Schaut bitte immer dorthin, wo ihr hinfahren wollt!“, rät Klaus.
Es geht um die Funktion des Stabilisierungsprogramms ESP in der Kurve, das alle modernen Autos haben, um die maximale Verzögerung, falls man das Auto doch einmal vor dem Kurvenausgang „verliere“ und viele Details mehr. Klaus ist ein super Typ, wie man so sagt, und vor allem ein geschickter Moderator (siehe auch Seite 7). So schafft er es, dass alle den ganzen Tag aufmerksam zuhören, konzentriert üben und weiterhin eine fröhliche Stimmung herrscht, obwohl es hier eben auch um Wissensvermittlung und einige Theorie geht.
„Wenn du den Leuten das so schilderst und du sagst: ‚Fährst du zwei schneller – dann bist du weg‘, dann siehst du, was in den Köpfen vorgeht: ‚Lass den alten Mann mal schwätzen – ich werde dem gleich mal zeigen, wo die Glocken hängen!‘“, schmunzelt Klaus. „Dann fährt er mit 30 rein, und bei 32 ist er draußen…“ Mit einer ihm eigenen, erfrischenden und kurzweiligen Art, verdeutlicht der Instruktor seiner Gruppe aus dem MANN-/WWP-Team, dass es auf der glatten Kreisbahn mit Bedacht zugehen sollte. Durch die sollen alle ihr Gefährt steuern – möglichst ohne nach außen getragen zu werden, wo im wahren Leben ein gefährliches Hindernis das jähe Ende der Fahrt bedeuten würde.
Und tatsächlich hat Klaus komplett Recht: 24,8 km/h, 27,1 km/h zeigt ein großes LED-Display in roten Ziffern die gefahrene Geschwindigkeit des jeweiligen Autos an – sehr langsam für unsere alltäglichen Verhältnisse also, und trotzdem geht es für einige schon bei diesem moderaten Tempo im wahrsten Wortsinn „rund“…
Obwohl insbesondere der zu weitesten Teilen in Rheinland-Pfalz liegende Mittelrhein bekanntlich von einem weltweit einmaligen Burgenreichtum gesäumt wird, ist die einst als „Noureburg“ errichtete Wehranlage etwas Besonderes, nämlich die mit 678 Metern höchstgelegene des Bundeslandes. Das auf einem Basaltkegel erbaute Bollwerk gab dem Ort Nürburg seinen Namen, mit dem Motorsportfans im In- und Ausland aber ganz gewiss vor allem eine beinahe 100-jährige Rennsportgeschichte verknüpfen. 1927 wurde der „Nürburgring“ unweit der Burg errichtet, seine legendäre „Nordschleife“ ist bis heute eine der anspruchsvollsten Rennstrecken weltweit.
Bei Klaus und seiner Gruppe geht es derweil aber gerade nicht um die Höchstgeschwindigkeiten auf dem dem Fahrsicherheitszentrum benachbarten Rundkurs – sondern ganz schlicht ums Sitzen. Sitzposition und Lenktechnik seien, so der Fachmann, für sicheres Fahren ebenfalls wichtig. „Die Hände gehören eigentlich auf die 3- und 9-Uhr-Position. Dann kann ich, ohne übergreifen zu müssen, immerhin schon einen halben Lenkeinschlag ausführen. Und ein absoluter Fauxpas ist es, ins Lenkrad hineinzugreifen!“, mahnt der Instruktor.
Das „übergreifende Lenken“ ist jedoch wenig später beim Schleudersimulator notwendig. Mit 40 km/h fahren die Teilnehmer auf eine nasse Fläche, die die rutschigen Eigenschaften festgefahrenen Schnees aufweist. An ihrem Beginn sorgt eine Vorrichtung dafür, dass das Fahrzeug aus der Bahn geworfen wird, das Heck ausbricht und der Pkw ins Schleudern gerät. Das sollen die Fahrer durch beherztes und möglichst rasches Gegenlenken abfangen. Zu welcher Seite ihr Auto bewegt wird, wissen sie vorher jedoch nicht… Einige geraten dabei mächtig in Rotation, die erst auf umgebendem Asphalt gestoppt werden kann, wenn die Räder wieder besser greifen. Mancher „ID4“ im WWP-Design dreht sich plötzlich wie der „Break Dance“ auf der Hachenburger Kirmes…
Ähnlich herausfordernd das Trainieren des gebremsten Ausweichens: Auf der speziellen Bahn tauchen plötzlich zwei Hindernisse auf – zum Glück nur in Form von spontan aus dem Boden schießenden Wasserfontänen, so dass bei einem „Zusammenstoß“ keine Schäden an Mensch oder Material entstehen. Doch im wahren Straßenverkehr könnte das ein anderes Auto sein…
„Zwei Finger breit – mehr müsst ihr hier nicht lenken, um um das Hindernis herumzukommen“, erläutert Klaus. Gleichwohl: „Je später ihr mit dem Lenken beginnt, desto stärker müsst ihr lenken – und habt entsprechend weniger Bremsleistung zur Verfügung.“ Puh, so langsam drehen sich nicht nur die Autos, sondern auch ein bisschen die Köpfe…
Wie sinnvoll es ist, sich mit derlei fahrphysikalischen Gesetzmäßigkeiten einmal ganz praktisch auseinanderzusetzen, zeigt unterdessen immer wieder der Blick auf eine der roten Tempoanzeigen am Fahrbahnrand: „Jetzt sieh dir mal an, wie lang der Bremsweg ist – über 40 Meter bei 39 km/h“, kommentiert Klaus per Funk Armins jüngsten Versuch, zu bremsen und dem Wasserhindernis gleichzeitig auszuweichen.
„Is‘ super, is‘ super!“, lautet Daniels Zwischenfazit am Ende dieser Übung auf die Frage, wie der Kurs gefalle. „Dieses kontrollierte Ausprobieren“, findet Matthias besonders gut, wie Daniel ist auch er in „Gruppe 3“ dabei.
Am Ende bedankt sich Klaus bei allen Teilnehmern aller drei Gruppen für die hohe Disziplin und stellt zufrieden fest, dass es weder Wunden noch erhebliche Schäden gebe. „Und zum Abschluss: Moderne Autos, auch mit ESP, stoßen dennoch reifentechnisch an die Grenzen der Physik. Wenn es keine Verbindung mehr nach unten gibt, dann kann das ESP ruhig noch zweimal blinken, um den Fahrer ein bisschen zu beruhigen – aber im Ergebnis kommt nichts mehr. Was der Reifen nicht kann, kann die Elektronik ebenfalls nicht mehr!“ Zustimmendes Nicken rundum, das haben heute alle selbst erfahren. „Und ich bleibe bei meiner Aussage vom Beginn“, schließt Klaus die Nachbesprechung ab: „Auslöser all unserer Probleme im Straßenverkehr ist nicht die nasse Fahrbahn, ist nicht ein schwacher Reifen, sondern Auslöser Nummer eins ist grundsätzlich die gefahrene Geschwindigkeit. Punkt.“
Nach so viel Nachdenklichkeit gibt es für die drei Schnellsten, die bei den lustigen Übungen wie im Vierer-Team-„Skoda“ vorne lagen, noch eine kleine Trophäe. Für alle gibt es Kaffee und Kuchen – und danach einen vergnüglichen Abschluss des Betriebsausflugs in die Eifel auf der ebenfalls neben der berühmten Rennstrecke gelegenenen „ring°kartbahn“.
Uwe Schmalenbach