„Durch die Inbetriebnahme des Pelletheizhauses kamen wir über die Schwelle von 50 Prozent erneuerbare Energien bei der Wärmeversorgung im Netz“, schildert Uwe Schließer und blickt auf den 18 Meter hohen, silbrig in den Frühlingshimmel blitzenden Schornstein der Anlage. Schließer ist bei der „Netzgesellschaft Düsseldorf“, einer Tochter der örtlichen Stadtwerke, Gruppenleiter im Bereich Heizkraftwerke und Energiedienstleistung. Die Stadtwerke haben das Heizhaus von „MANN Naturenergie“ aufstellen und betreiben lassen. Zehn Jahre ist das nun her – und seither wurden darin im Schnitt 750 Tonnen Holzpellets pro Jahr eingesetzt, um heißes Wasser für das Fernwärmenetz in Düsseldorf-Garath zu erzeugen. Gegenüber der Verwendung von Braunkohle wurden (laut Emissionsbilanz des Deutschen Pelletinstituts) so rund 14.500 Tonnen CO2 vermieden.
Die Wohnungsnot in Düsseldorf war groß in den 1950er-Jahren. Der Wiederaufbau nach dem Krieg befand sich in einer Hochphase, doch intakte Unterkünfte gab es weiterhin zu wenig. Darum wurde im Düsseldorfer Süden der komplett neue Stadtteil Garath konzipiert, der in 8.000 Wohnungen Platz für über 30.000 Menschen schaffen sollte. Buchstäblich auf der bis dahin „grünen Wiese“, mit einem Heizkraftwerk in der Mitte, die Wohnanlagen drumherum gruppiert und allesamt über ein Fernwärmesystem damit verbunden.
Bis heute ist es so, dass letztlich in jedem Heizkörper des Stadtteils warmes Wasser die Stube wärmt, das im Garather Kraftwerk „gekocht“ wird. Ein zweiter Vorlauf in Richtung der Behausungen speist zudem Pufferspeicher in deren Kellern für die Warmwasserversorgung.
Ursprünglich verfeuerten die Stadtwerke dazu Kohle, inzwischen wurde sie durch Gas abgelöst (der Einsatz von Heizöl ist weiterhin möglich). „Vier Heißwasserkessel im Kraftwerk leisten insgesamt 100 Megawatt (MW)“, erklärt Uwe Schließer. Mit dieser „Power“ seien je Stunde 1,5 Millionen Liter Wasser für die Raumheizungen und weitere 300.000 Liter für die Trinkwassererwärmung in Garath aufheizbar.
Um die Umweltbilanz des Kraftwerkes zu verbessern, wurde 2007 ein ergänzendes Biomasse-Heizkraftwerk an jener Stelle gebaut, an der sich einst das Kohlehaus befand. Im Biomasse- Heizkraftwerk wird Altholz genutzt, es produziert Wärme, die für etwa 40 Prozent des Bedarfs in Garath ausreicht.
Übrigens: Schufteten früher um die 60 Beschäftigte in der mit Kohle betriebenen Anlage, um stets genug „Dampf auf dem Kessel“ zu haben, sind es nunmehr lediglich vier Mitarbeiter in der Kraftwerkswarte, ein Meister und drei Kraftwerker. An Wochenenden sowie nachts läuft die Anlage „mannlos“; ein Team im ebenfalls den Stadtwerken Düsseldorf gehörenden Heizkraftwerk Lausward überwacht sie dann aus der Ferne.
Aus der Ferne wurde auch in den gesamten zehn Jahren das Pelletheizhaus kontrolliert – aus Langenbach bei Kirburg, wo „MANN Naturenergie“ sitzt. Denn das Unternehmen hat die Anlage betrieben und seine jährlich bis zu 5.000 Megawattstunden Wärmeleistung im Rahmen eines „Contractings“ an die Stadtwerke Düsseldorf geliefert: MANN erhitzt im Düsseldorfer Pelletheizhaus Wasser auf 80 bis 100 Grad und übergibt es an das Fernwärmenetz in Garath. Abgerechnet wird bei diesem Modell die Menge des „verkauften heißen Wassers“, das dann zusammen mit den mittels Gas und Altholz erwärmten Mengen in die Garather Wohnungen strömt.
Fernwärme erfreue sich in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt einer enormen Nachfrage, berichtet Uwe Schließer: „Die Netze sind derzeit ausgereizt! Fernwärme verkauft sich wie ‚geschnittenes Brot‘, die Kunden haben starkes Interesse an dieser Wärmeart.“ Grund dafür sei, dass es etwa Vermietern und Hauseigentümern, die Heizungen in ihren Gebäuden betreiben, damit sehr bequem gemacht werde: Ganz gleich, welche gesetzlichen Vorschriften schon herrschen im Heizungskeller oder noch kommen werden (wie das Verbot, neue Ölheizungen einzubauen) – für deren Einhaltung ist bei dem Fernwärmemodell stets derjenige zuständig, der das warme Wasser erzeugt. Also die Stadtwerke. Für den Vermieter ändert sich nichts – ganz gleich, ob die Stadtwerke in ihren Kraftwerken Gas, Altholz oder Pellets nutzen oder künftig noch ganz andere Erzeugungsarten einsetzen könnten wie zum Beispiel Tiefengeothermie.
Das Fernwärmenetz in der Großstadt am Rhein ist etwa 280 Kilometer lang. Nun soll es verdoppelt werden, da die Nachfrage so groß ist. Als einen nächsten Schritt will die „Netzgesellschaft Düsseldorf“ es von Garath aus über den Stadtteil Benrath bis zum Chemie-Konzern Henkel verlängern. Dort soll Abwärme bezogen werden und im Fernwärmenetz Wärme aus den Gas-Öl-Kesseln in Garath weiter verdrängen helfen (um so perspektivisch die Gas-Wärme auf 20 Prozent Anteil zu drücken). Hierfür gibt es in der Garather Anlage schon entsprechende Systeme, die heißes Wasser nicht nur in Richtung der Wohnungen abgeben, sondern über einen Bypass eben auch zusätzliche Wärmeenergie, die von einer sechs Kilometer entfernten Wärmeübergabestation bei Henkel kommt, importieren können.
54,7 Prozent der Wärmeenergie in Garath ist aber heute schon „grün“. Durch den Einsatz von regenerativen Brennstoffen wie dem Altholz und den Holzpellets wird dort aktuell ein Primärenergiefaktor von 0,44 erreicht. Dieser soll noch auf 0,22 sinken, stellt Schließer in Aussicht. Der Wert gibt Orientierung darüber, wie viel „Ausgangs-Energie“ benötigt wird und berücksichtigt dabei den Energieverlust, der bei der Gewinnung, Umwandlung und Verteilung eines Energieträgers jeweils entsteht. Je umweltschonender die Energieform und ihre Umwandlung, desto niedriger ist der Primärenergiefaktor. Zum Vergleich: Beim ausschließlichen Einsatz von Kohle beträgt er, je nach Berechnung, eins bis 1,2, während Solar- und Windenergie einen Primärenergiefaktor von null haben – mit 0,44 beziehungsweise perspektivisch nur 0,22 liegen die Stadtwerke Düsseldorf in Garath also schon recht gut.
Uwe Schließer erzählt, dass es mit dem Pelletheizhaus in den zehn Jahren, in denen es in Garath arbeitet, keinerlei Probleme gegeben habe, technisch immer alles glatt gelaufen, die Anlage nie ungeplant ausgefallen sei: „Es ist ein Erfolgsmodell.“ Schließer lässt den Blick abermals über das Heizhaus und den blanken Edelstahlkamin vor dem frühlingsblauen Himmel wandern. Den Vertrag mit MANN, dem Energielieferanten aus dem Westerwald, haben die Stadtwerke der Landeshauptstadt gerade um drei Jahre verlängert.
Uwe Schmalenbach