CO2-Ausstoß

Total positive Begeisterung

Rekordflug auf die Insel lenkt Blick auf Energiewende im Luftverkehr

Reinhard Mey wird seinen wohl größten Erfolg auf seine alten Tage noch umschreiben müssen. „In den Pfützen schwimmt Benzin/Schillernd wie ein Regenbogen/Wolken spiegeln sich darin/Ich wär‘ gern mitgeflogen“, heißt es seit 1974 in „Über den Wolken“. Doch (Flug-)Benzin schwimmt vielleicht bald keines mehr in Wasserlachen auf Flugplätzen: Mit seiner „fliegenden Expedition“ von den Alpen bis zur Nordsee hat das Team des soeben erfolgreich absolvierten „Elektro-Weltrekordflugs“ gezeigt, dass auch die Mobilität in der Luft künftig elektrisch angetrieben sein könnte. MANN Naturenergie hat das Projekt gesponsert.

Sponsor: Neben etlichen anderen förderte MANN Naturenergie das Vorhaben.

Sponsor: Neben etlichen anderen förderte MANN Naturenergie das Vorhaben.

„Es ist super gelaufen“, sagt ein spürbar begeisterter Malik Aziz, im Team für die Pressearbeit zuständig, im Gespräch mit der „Wäller Energiezeitung“ auf die Frage, wie der Versuch geklappt habe. Gewiss, der Abflug musste wetterbedingt einen Tag verschoben werden aufgrund des „stärksten Regens der letzten 15 Jahre in Schänis“ (wo die elektrisch betriebene „Pipistrel Velis“ in der Schweiz gen Norderney startete). Danach jedoch habe der vorher aufgestellte Zeitplan exakt gepasst. Rund 190 Kilowattstunden (kWh) Energie: Mehr sei nicht nötig gewesen für den Flug. Rechnet man das in konventionelle Kraftstoffe um, entspricht das einem Äquivalent von weniger als 20 Litern Diesel – für 700 Kilometer Strecke in der Luft. Zwei Teams fuhren, während die Propellermaschine in der Luft war, mit „Teslas“ am Boden die Strecke – mit Superladern im Kofferraum, an denen die Maschine auf Flughäfen wieder „auftanken“ konnte. Denn für mehr als eine Stunde Flugzeit mit bis zu 150 Stundenkilometern reicht die derzeitige Kapazität des Akkus noch nicht (siehe dazu auch Kasten). So wurde der Siegerland-Flughafen an der Landesgrenze Nordrhein-Westfalens zu Rheinland-Pfalz ebenfalls zur Zwischenstation, wo Markus Mann die seltenen Gäste getroffen und mit Schweizer Raclette versorgt hat. Auf der rechten Seite des eingesetzten Flugzeugs fand sich, neben anderen, während des ganzen „Experimentalfluges“ das Logo von MANN Naturenergie: Das Westerwälder Unternehmen hatte das Vorhaben finanziell gefördert.

Lader: Das passende Gerät zum Auftaken fuhren zwei Teams am Boden zu den Zwischenstopps der Maschine.

Lader: Das passende Gerät zum Auftaken fuhren zwei Teams am Boden zu den Zwischenstopps der Maschine.

Strecke: Der Kurs des Fluges in Richtung Norden.

Strecke: Der Kurs des Fluges in Richtung Norden.

Doch worum muss man die Elektromobilität unbedingt in der Luft ausprobieren, wo sie am Boden unter anderem aufgrund zu geringer Ladekapazitäten noch lange nicht zufriedenstellend funktioniert? „Warum muss ich morgen Essen kaufen, wenn ich heute schon einmal gegessen habe?“, lacht Malik Aziz und fügt ernst an: „Das große Ziel ist: Wir müssen weg von der CO2-Emission! Ganz klar. Nur weil Deutschland besonders langsam ist beim Wandel – wegen der Autoindustrie –, heißt das ja nicht, dass wir noch viel Zeit für die Aufgabe hätten. Die Klimaveränderung ist Realität. Und die Luftfahrt ist für fünf Prozent des CO2-Ausstoßes weltweit verantwortlich. Tendenz steigend, wohlgemerkt, Stichwort der schnelle Flug nach Mallorca. Was wir mit der ganzen Aktion – bei der es eigentlich gar nicht um die Rekorde geht – machen wollten: Wir wollten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir nach der Erkenntnis, dass Elektroautos nicht sofort in Flammen aufgehen und wirklich fahren können, selbst wenn sich das viele noch vor zehn Jahren nicht vorstellen konnten, nun auch darüber nachdenken sollten, was mit Schiffen ist, mit Flugzeugen! Wir hatten jetzt die Möglichkeit, dieses Elektroflugzeug zu nutzen, das allererste seiner Art. Und deshalb haben wir es einfach gemacht!“

Freude: Malik Aziz ist begeistert, wie gut alles geklappt hat.

Freude: Malik Aziz ist begeistert, wie gut alles geklappt hat.

Wie man am „super krassen“ Medieninteresse sehen könne, sei erreicht worden, was die Macher sich gewünscht hätten: Hunderttausende Menschen hätten gesehen, dass man schon elektrisch fliegen könne. „Dieser kleine Hingucker wird sich in das Narrativ einfügen, was an elektrischer Fortbewegung möglich ist“, unterstreicht Malik Aziz. Er berichtet außerdem von überwältigender Unterstützung an der Strecke. Die angeflogenen Flugplätze zum Beispiel hätten alles in Bewegung gesetzt, um den Ladevorgang zu ermöglichen, eigens neue Anschlüsse installiert, auf Landegebühren verzichtet. „Die total positive Begeisterung“ sei beeindruckend gewesen.

 

Uwe Schmalenbach

„Jeder muss ein Bewusstsein dafür entwickeln“

Anne Neuroth mit ihrer Arbeit, die sich mit dem Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck der WWP über den gesamten Lebenszyklus befasst. (Foto: Schmalenbach)

„Ausarbeitung einer Datengrundlage zur Erhebung eines Product Carbon Footprints für die Westerwälder Holzpellets GmbH“: So lautet der Titel von Anne Neuroths Bachelorarbeit. Die aus Ötzingen bei Montabaur stammende junge Frau hat am Umwelt-Campus der Hochschule Trier studiert. Für ihre Abschlussarbeit wählte sie die CO2-Bilanz des bei den „Westerwälder Holzpellets“ hergestellten Brennstoffes als Untersuchungsgrundlage. Einen Produkt- „Footprint“ nutzen viele Pelletunternehmen werblich. Doch Neuroths Ansatz geht über den üblicherweise genannten Wert deutlich hinaus: Sie bestimmte einen CO2-Wert für den gesamten Lebenszyklus des Holzpellets – angefangen vom Rohmaterial im Wald bis zur Verfeuerung im Heizkeller des Verbrauchers. Im Interview erzählt die 25-Jährige, wie sie darauf kam und was sie herausgefunden hat.

Anne, dein Vater Nikolaus Neuroth gehört zum MANN- Naturenergie-Team. Ist so dein Kontakt zu den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) entstanden?

Ja, genau. Und ich leistete da mal ein Praktikum ab, wollte einfach wissen, was ich vielleicht nach dem Abitur machen kann. Ich habe dann später bei MANN eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert, bei den „Westerwälder Holzpellets“ gearbeitet und wurde relativ schnell ins kalte Wasser geworfen. (lacht) Ich lernte viel dazu und bin so durch die Firma in den Umwelt-Bereich und schließlich zu meinem Studiengang gekommen.

Was hast du genau studiert?

Ich habe Umwelt- und Betriebswirtschaft studiert, und das am Umwelt-Campus in Birkenfeld. Der gehört zur Hochschule Trier. Letzten Sommer war ich mit den Klausuren durch und habe im Januar die Bachelorarbeit abgegeben. Im Februar musste ich sie noch verteidigen, seitdem bin ich fertig.

Mit welcher Note hast du die Bachelorprüfung abgeschlossen?

Mit einer 1,0.

Gratuliere! Das Thema deiner Abschlussarbeit bezieht sich auf den CO2-Fußabdruck des gesamten Lebenszyklus‘ eines „Westerwälder Holzpellets“, also summiert alle Treibhausgasemissionen, angefangen von der Rohstoffgewinnung, über die Herstellung, Logistikprozesse und die Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Wie bist du darauf gekommen?

Die Firma WWP hat bereits einen „Carbon Footprint“ für das eigentliche Produkt berechnen lassen – 10,68 kg CO2 pro Tonne „Westerwälder Holzpellets“. Der Wert ist von 2018. Und dadurch, dass bei WWP seither eine modernere, energiesparendere Pelletanlage gebaut worden ist, habe ich mir gesagt, dass da eigentlich etwas Neues hin muss. Dann gab es noch so eine Art „Carbon Footprint“, der mit Hilfe des Deutschen Pellet Verbandes jährlich aktualisiert wurde. Die Bilanz ist jedoch sehr, sehr knapp und bezieht sich eben nur auf die Produktion. Da fehlen andere Faktoren. Es war also ein CO2-Fußabdruck, aber kein kompletter, der die gesamte Nutzungsphase des Pellets berücksichtigt.

Demnach war dein Anspruch, die Messlatte nicht nur an den Produktionsprozess anzulegen?

Genau! Sondern wirklich vom Anfang bis zum Ende. Der Ingenieur, der den vorherigen Footprint berechnete, hatte den von der Rohstoffanlieferung bis zur Auslieferung ermittelt. Ich habe nun jedoch ebenso die Verwendung der Pellets beim Kunden mit drin.

Wie bist du da vorgegangen?

Ich habe versucht, mich über verschiedene Heizportale durchzuforsten, um irgendeinen Mittelwert zu finden. Das war natürlich total schwierig. Aber mir ist aufgefallen, dass dieser Nutzungsbereich – dadurch, dass Pellets aus Rohstoffen hergestellt werden, die „Abfallprodukte“ sind – sehr nachhaltig ist. Bei der Firma WWP besonders.

Wieso?

Weil das Holz für die Schnittholz- und nicht für die Pelletproduktion angeliefert wird.

Was umfasst deine gesamte Untersuchung denn alles?

In der Betrachtung der Absolventin steckt selbst die Teilmenge CO2, die bei der Herstellung der Folie für die Pellet-Sackware anfällt. (Foto: Moldenhauer)

Sie geht wirklich von der Rohstoffanlieferung, also dem kompletten Transportweg aus dem Wald, bis zum Ende. Ich habe für Ersteres mit den Lieferanten Kontakt aufgenommen, habe mir die Kilometerzahl geben lassen, die sie im Durchschnitt fahren, um das Rundholz nach Langenbach zu bringen. Es geht bei einem „Carbon Footprint“ immer um eine Jahresbilanz, ich habe ihn für 2018 gemacht. Bei deiner Analyse kam heraus, dass die Nutzung von Grünstrom in der Pelletproduktion – wie es bei den WWP der Fall ist –, aber auch beim Betrieb der Heizung entscheidend ist. Echter Grünstrom wie der von MANN verursacht ja ebenfalls kaum CO2-Ausstöße. Ich jedoch habe den derzeitigen deutschen Strommix für die Berechnungen gewählt. Denn ich kann nicht unterstellen, dass jeder Kunde Grünstrom nutzt, weil viele Haushalte eben noch auf Atom- oder Kohlestrom setzen. Daher habe ich also den Strommix aus Deutschland als Grundlage genommen, und der hat den Wert echt richtig nach unten gezogen! Pro Tonne „Westerwälder Holzpellets“ werden – alle Faktoren berücksichtigend – etwa 56 Kilogramm CO2 ausgestoßen, mit konventionellem Strom. Und ich habe mir gesagt: Wenn jeder Kunde echten Ökostrom für die Heizung nutzen würde, würde das schrumpfen auf 33 Kilo. Also fast die Hälfte!

Bei der Pelletverfeuerung hast du also über die ganze Nutzungsdauer pro Kopf den CO2-Ausstoß berechnet?

Ja. Die Pellets der WWP haben diesen extrem guten Wert, dadurch, dass es ja auch ein sehr heimisches Produkt ist, die Lieferwege somit ausgesprochen kurz sind. Das spielt eine enorm große Rolle. Und wenn der Kunde dann außerdem versteht: „Das sind gute Pellets, und ich nutze zudem Ökostrom, so verringere ich den Fußabdruck noch einmal“, ist das toll. Diese 33 Kilo habe ich auf die Verbrauchsmenge pro Tonne runtergerechnet, es geht also nicht um einen kompletten Jahreshaushalt. Wenn demnach jemand fünf Tonnen in zwölf Monaten verfeuert, stößt er fünfmal 33 Kilo CO2 aus, also 165 Kilo.

Wie sieht es mit dem Anteil der Logistik aus?

Das ging eigentlich. Dadurch, dass die Anlieferung ja quasi wegfällt und die Auslieferung relativ nah erfolgt, weil man versucht, in der Region zu bleiben.

Warum wolltest du gerne alle Aspekte in deine Berechnung mit aufnehmen?

Mir war das wichtig, um dem Kunden zu zeigen, wo tatsächlich am meisten Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Und der Fußabdruck der „Westerwälder Holzpellets“ ist ausgesprochen gut! Ziel der Arbeit war es, eine Grundlage zu erstellen, mit der man einmal im Jahr einen wirklich repräsentativen Footprint angibt, den man dem Kunden vermitteln und kommunizieren kann. Und dabei, anders als einige andere Anbieter, eben den vollständigen Lebenszyklus des Brennstoffs analysiert. Vielleicht regt das Verbraucher an, darüber nachzudenken, wie die Nutzungsphase bei ihnen zu Hause eigentlich ist. Ich hoffe einfach grundsätzlich, dass Leute sich mit dem Thema auseinandersetzen und mehr auf einen ökologischen Fußabdruck achten.

Denn jeder muss ein Bewusstsein dafür entwickeln!

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Im Video erklärt Anne Neuroth, was sie alles für die Ermittlung ihres Wertes berücksichtigt hat.