Umwelt

„Jeder muss ein Bewusstsein dafür entwickeln“

Anne Neuroth mit ihrer Arbeit, die sich mit dem Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck der WWP über den gesamten Lebenszyklus befasst. (Foto: Schmalenbach)

„Ausarbeitung einer Datengrundlage zur Erhebung eines Product Carbon Footprints für die Westerwälder Holzpellets GmbH“: So lautet der Titel von Anne Neuroths Bachelorarbeit. Die aus Ötzingen bei Montabaur stammende junge Frau hat am Umwelt-Campus der Hochschule Trier studiert. Für ihre Abschlussarbeit wählte sie die CO2-Bilanz des bei den „Westerwälder Holzpellets“ hergestellten Brennstoffes als Untersuchungsgrundlage. Einen Produkt- „Footprint“ nutzen viele Pelletunternehmen werblich. Doch Neuroths Ansatz geht über den üblicherweise genannten Wert deutlich hinaus: Sie bestimmte einen CO2-Wert für den gesamten Lebenszyklus des Holzpellets – angefangen vom Rohmaterial im Wald bis zur Verfeuerung im Heizkeller des Verbrauchers. Im Interview erzählt die 25-Jährige, wie sie darauf kam und was sie herausgefunden hat.

Anne, dein Vater Nikolaus Neuroth gehört zum MANN- Naturenergie-Team. Ist so dein Kontakt zu den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) entstanden?

Ja, genau. Und ich leistete da mal ein Praktikum ab, wollte einfach wissen, was ich vielleicht nach dem Abitur machen kann. Ich habe dann später bei MANN eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert, bei den „Westerwälder Holzpellets“ gearbeitet und wurde relativ schnell ins kalte Wasser geworfen. (lacht) Ich lernte viel dazu und bin so durch die Firma in den Umwelt-Bereich und schließlich zu meinem Studiengang gekommen.

Was hast du genau studiert?

Ich habe Umwelt- und Betriebswirtschaft studiert, und das am Umwelt-Campus in Birkenfeld. Der gehört zur Hochschule Trier. Letzten Sommer war ich mit den Klausuren durch und habe im Januar die Bachelorarbeit abgegeben. Im Februar musste ich sie noch verteidigen, seitdem bin ich fertig.

Mit welcher Note hast du die Bachelorprüfung abgeschlossen?

Mit einer 1,0.

Gratuliere! Das Thema deiner Abschlussarbeit bezieht sich auf den CO2-Fußabdruck des gesamten Lebenszyklus‘ eines „Westerwälder Holzpellets“, also summiert alle Treibhausgasemissionen, angefangen von der Rohstoffgewinnung, über die Herstellung, Logistikprozesse und die Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Wie bist du darauf gekommen?

Die Firma WWP hat bereits einen „Carbon Footprint“ für das eigentliche Produkt berechnen lassen – 10,68 kg CO2 pro Tonne „Westerwälder Holzpellets“. Der Wert ist von 2018. Und dadurch, dass bei WWP seither eine modernere, energiesparendere Pelletanlage gebaut worden ist, habe ich mir gesagt, dass da eigentlich etwas Neues hin muss. Dann gab es noch so eine Art „Carbon Footprint“, der mit Hilfe des Deutschen Pellet Verbandes jährlich aktualisiert wurde. Die Bilanz ist jedoch sehr, sehr knapp und bezieht sich eben nur auf die Produktion. Da fehlen andere Faktoren. Es war also ein CO2-Fußabdruck, aber kein kompletter, der die gesamte Nutzungsphase des Pellets berücksichtigt.

Demnach war dein Anspruch, die Messlatte nicht nur an den Produktionsprozess anzulegen?

Genau! Sondern wirklich vom Anfang bis zum Ende. Der Ingenieur, der den vorherigen Footprint berechnete, hatte den von der Rohstoffanlieferung bis zur Auslieferung ermittelt. Ich habe nun jedoch ebenso die Verwendung der Pellets beim Kunden mit drin.

Wie bist du da vorgegangen?

Ich habe versucht, mich über verschiedene Heizportale durchzuforsten, um irgendeinen Mittelwert zu finden. Das war natürlich total schwierig. Aber mir ist aufgefallen, dass dieser Nutzungsbereich – dadurch, dass Pellets aus Rohstoffen hergestellt werden, die „Abfallprodukte“ sind – sehr nachhaltig ist. Bei der Firma WWP besonders.

Wieso?

Weil das Holz für die Schnittholz- und nicht für die Pelletproduktion angeliefert wird.

Was umfasst deine gesamte Untersuchung denn alles?

In der Betrachtung der Absolventin steckt selbst die Teilmenge CO2, die bei der Herstellung der Folie für die Pellet-Sackware anfällt. (Foto: Moldenhauer)

Sie geht wirklich von der Rohstoffanlieferung, also dem kompletten Transportweg aus dem Wald, bis zum Ende. Ich habe für Ersteres mit den Lieferanten Kontakt aufgenommen, habe mir die Kilometerzahl geben lassen, die sie im Durchschnitt fahren, um das Rundholz nach Langenbach zu bringen. Es geht bei einem „Carbon Footprint“ immer um eine Jahresbilanz, ich habe ihn für 2018 gemacht. Bei deiner Analyse kam heraus, dass die Nutzung von Grünstrom in der Pelletproduktion – wie es bei den WWP der Fall ist –, aber auch beim Betrieb der Heizung entscheidend ist. Echter Grünstrom wie der von MANN verursacht ja ebenfalls kaum CO2-Ausstöße. Ich jedoch habe den derzeitigen deutschen Strommix für die Berechnungen gewählt. Denn ich kann nicht unterstellen, dass jeder Kunde Grünstrom nutzt, weil viele Haushalte eben noch auf Atom- oder Kohlestrom setzen. Daher habe ich also den Strommix aus Deutschland als Grundlage genommen, und der hat den Wert echt richtig nach unten gezogen! Pro Tonne „Westerwälder Holzpellets“ werden – alle Faktoren berücksichtigend – etwa 56 Kilogramm CO2 ausgestoßen, mit konventionellem Strom. Und ich habe mir gesagt: Wenn jeder Kunde echten Ökostrom für die Heizung nutzen würde, würde das schrumpfen auf 33 Kilo. Also fast die Hälfte!

Bei der Pelletverfeuerung hast du also über die ganze Nutzungsdauer pro Kopf den CO2-Ausstoß berechnet?

Ja. Die Pellets der WWP haben diesen extrem guten Wert, dadurch, dass es ja auch ein sehr heimisches Produkt ist, die Lieferwege somit ausgesprochen kurz sind. Das spielt eine enorm große Rolle. Und wenn der Kunde dann außerdem versteht: „Das sind gute Pellets, und ich nutze zudem Ökostrom, so verringere ich den Fußabdruck noch einmal“, ist das toll. Diese 33 Kilo habe ich auf die Verbrauchsmenge pro Tonne runtergerechnet, es geht also nicht um einen kompletten Jahreshaushalt. Wenn demnach jemand fünf Tonnen in zwölf Monaten verfeuert, stößt er fünfmal 33 Kilo CO2 aus, also 165 Kilo.

Wie sieht es mit dem Anteil der Logistik aus?

Das ging eigentlich. Dadurch, dass die Anlieferung ja quasi wegfällt und die Auslieferung relativ nah erfolgt, weil man versucht, in der Region zu bleiben.

Warum wolltest du gerne alle Aspekte in deine Berechnung mit aufnehmen?

Mir war das wichtig, um dem Kunden zu zeigen, wo tatsächlich am meisten Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Und der Fußabdruck der „Westerwälder Holzpellets“ ist ausgesprochen gut! Ziel der Arbeit war es, eine Grundlage zu erstellen, mit der man einmal im Jahr einen wirklich repräsentativen Footprint angibt, den man dem Kunden vermitteln und kommunizieren kann. Und dabei, anders als einige andere Anbieter, eben den vollständigen Lebenszyklus des Brennstoffs analysiert. Vielleicht regt das Verbraucher an, darüber nachzudenken, wie die Nutzungsphase bei ihnen zu Hause eigentlich ist. Ich hoffe einfach grundsätzlich, dass Leute sich mit dem Thema auseinandersetzen und mehr auf einen ökologischen Fußabdruck achten.

Denn jeder muss ein Bewusstsein dafür entwickeln!

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Im Video erklärt Anne Neuroth, was sie alles für die Ermittlung ihres Wertes berücksichtigt hat.

Tolle Familienfreizeiten, ökologisches Handeln

Spielen erwünscht! Lachen und Rumtollen ist Kindern und Erwachsenen erlaubt“: Im Stil eines gelb-schwarzen „Eltern-haften-für-ihre-Kinder“-Schildes auf einer Baustelle werden Gäste der „Arche Noah Marienberge“ schon an der Rezeption unmissverständlich auf den fröhlich-unbekümmerten Geist des Familien- und Tagungshauses in Elkhausen hingewiesen. Mensch sein, miteinander eine tolle Zeit er- und verleben, sich anders benehmen dürfen als im Alltag daheim. Und da man sich als naturnahe Einrichtung versteht, gehört die Nutzung regenerativer Energie seit etlichen Jahren zum Konzept.

Ob Wandertage oder Rollenspiele: In Elkhausen erlebten Familien bewusst Anderes als in Ihrem Alltag, hebt Hans Georg Rieth hervor. Ökumenisch sei es in dem Haus schon vor 65 Jahren zugegangen, und eine kirchliche Bindung sei nicht erforderlich.

In Elkhausen, einem Ortsteil der Gemeinde Katzwinkel (Sieg), treffen gewissermaßen der Westerwald, das Bergische und Siegerland aufeinander. Oberhalb der Siedlung liegt, inmitten von Wald, Wiesen, Bachläufen, das zunächst unter dem Namen „Haus Marienberge“ gegründete Domizil. „Wir sind Deutschlands ältestes katholisches Erholungsheim“, schildert Geschäftsführer Hans-Georg Rieth.

Es gibt eine eigene kleine Landwirtschaft mit Hühnern, Esel, Ponys, 70.000 Quadratmeter Außengelände stehen den Gästen zur Verfügung.

Es war dessen Großonkel Pfarrer Albert Schmidt, der 1904 bei Elkhausen geboren wurde und 1945, als er aus französischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, in Essen-Vogelheim eine Holzbaracke zur Notkirche machte. Nur zwei Jahre darauf setzte der unerschrockene Seelsorger kurzerhand 425 Kinder aus den Trümmern des Ruhrpotts in einen Sonderzug nach Wissen und organisierte für sie Sommerferien in und um Elkhausen. „Er hat sie damals in Scheunen, Schulen, bei Privatleuten untergebracht und sich nicht aufhalten lassen“, schmunzelt der Großneffe.

1953 wird die Essener Baracken-Kirche abgebrochen und in Elkhausen wieder aufgebaut; der Grundstein für das jetzige Haus war gelegt. Dort übernachten 1954 erstmals Gäste. Heute ist der „Verein für Familienerholung Marienberge e. V.“, der zwischenzeitlich gegründet wurde, Träger der Einrichtung.

Eine der Kernaufgaben ist in den über 65 Jahren gleichgeblieben: „Tolle Familienfreizeiten zu organisieren“, wie der Geschäftsführer es formuliert. Dazu werden jeden Tag drei nach Alter gestaffelte Kindergruppen mit je zwei Betreuern angeboten, die wandern, klettern, Abenteuer erleben oder den Esel besuchen, der, neben anderen Tieren, auf dem zum Haus gehörenden „Bauernhof“ lebt. Mit dem Trecker geht es zum Picknick, am Lagerfeuer brutzelt das Stockbrot, der naturnahe Spielplatz schafft es, das Kinder „Gameboy“ und Handy vergessen.

Für Eltern gibt es eigene „Männer-“ oder „Frauentage“ und ebenso bewusst Programme, die die ganze Familie zusammen erlebt, da Familien, wie Hans-Georg Rieth sorgenvoll ergänzt, zu Hause immer weniger gemeinsame Zeit verbrächten. Bewusst stehen dabei ebenfalls die einfachen Dinge im Mittelpunkt: „Die Sonnenaufgangswanderung beispielsweise ist ein Renner. Und etwas, das man nicht kaufen kann!“

Markus Mann (links) bringt die Bescheinigungen über die Nutzung der klimafreundlichen Energieträger beim Besuch in Hans Georg Rieths Einrichtung mit. (Foto: Schmalenbach)

Menschlichkeit, Miteinander, die Begriffe fallen oft im Gespräch mit dem Leiter des Ferienhauses. „Die Leute finden hier etwas, von dem sie nicht wussten, dass sie es gesucht haben“, sagt er nachdenklich. Vor allem für die Kinder sei es oft eine andere Welt: Während daheim heute fast alle Eltern stets zur Vorsicht mahnten, sich Kinder kaum noch wie Kinder benehmen können, selten einfach draußen herumtoben, sich ohne Vorgaben selbst beschäftigen müssen, geht es in Elkhausen darum, am Wegesrand Gefundenes zum Spielzeug zu machen, ohne viel Zubehör zu basteln, „sich richtig dreckig machen“ zu dürfen.

Familien seien naturgemäß insbesondere in der Sommerferienzeit in der „Ache Noah Marienberge“. Sonst steht die allen offen: Viele Schulklassen seien Gäste, auch Sonderschulen; es kämen ebenso Seniorenkreise, Behindertengruppen (für die eigens behindertengerechte Badezimmer gebaut und Pflegebetten angeschafft wurden), Konfirmandenfreizeiten, Chorwochenenden, Tagungen von Kirchenvorständen finden gleichermaßen statt.

„Arche-Noah”-Leiter Hans Georg Rieth (rechts) erläutert dem WWP-Geschäftsführer das Konzept variabler Tagungsräume.

„Die Menschen kommen aus allen Altersstufen und sozialen Schichten“, erläutert Geschäftsführer Rieth. Ihre Herkunft liege schwerpunktmäßig im Ruhrgebiet oder dem Großraum Köln, darüber hinaus reisten Gäste aus ganz Deutschland an.

Viel Geld braucht hier niemand mitzubringen: Die Einrichtung arbeitet als „non-profit“-Organisation nicht gewinnorientiert. Es gibt das Doppelzimmer samt Vollpension schon für 56 Euro! 100 Betten stehen zur Verfügung. Im Jahr (vor Corona) gebe es bis zu 16.000 Übernachtungen. Eine eigene Jugendetage mit 36 Betten sei „quasi die Jugendherberge im Haus“.

Hans-Georg Rieth lebt mit Partnerin und drei Kindern selbst dort, schon seit 27 Jahren. Eigentlich absolvierte er in seiner Heimatstadt Essen eine Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann im Stahlhandel. Doch mit 25 Jahren wechselte er zu dem Idyll in Elkhausen.

Während Rieth das alles erzählt, ist draußen Joachim Maaß mit seinem Pelletlaster vorgefahren. Denn die „Arche Noah Marienberge“ heizt mit dem klimaschonenden Brennstoff aus dem Westerwald. Gerade erst hat WWP-Chef Markus Mann dem Marienberge-Geschäftsführer ein Zertifikat vorbeigebracht. 1.480 Tonnen klimaschädliches CO2, so heißt es darin, habe das Familienhaus dadurch der Umwelt erspart, dass anstelle Heizöls bislang schon 1.000 Tonnen Westerwälder Holzpellets verwendet wurden, um Gästezimmer oder Seminarräume wohnlich warm zu machen.

Joachim Maaß hat in Elkhausen abgeladen und muss nun nur noch die Rohre demontieren, durch die die Holzpellets vom Lkw in den Bunker des Familienferienhauses geblasen worden sind.

„Wir haben vor zwölf Jahren mit der Pelletnutzung angefangen“, berichtet Hans-Georg Rieth. Auf den „grünen Strom“ der Unternehmensgruppe MANN habe man zwischenzeitlich außerdem umgestellt. „Wir nennen uns ‚naturnahes Familienferienhaus‘ – da muss man selbst ökologisch handeln!“, begründet der Leiter der Elkhausener Einrichtung, warum er die regenerative Energie aus Langenbach nutze.

Neben der ökologischen Ausrichtung sei die Regionalität sehr wichtig: „Wir versuchen schon, etwas Wirtschaftsethik zu leben, und soweit es im Rahmen von behördlichen Vorschriften möglich ist, mit örtlichen Partnern zu arbeiten. Lokale Lieferanten sind uns wichtig, weil wir viel Wert darauf legen, Partner zu kennen. Ich hasse es, mit einem Callcenter zu sprechen. Ich will mit Menschen zu tun haben.“ Ganz so, wie in der Betreuung und Begleitung der Gäste der „Arche Noah Marienberge“ eben.

Uwe Schmalenbach