„Spielen erwünscht! Lachen und Rumtollen ist Kindern und Erwachsenen erlaubt“: Im Stil eines gelb-schwarzen „Eltern-haften-für-ihre-Kinder“-Schildes auf einer Baustelle werden Gäste der „Arche Noah Marienberge“ schon an der Rezeption unmissverständlich auf den fröhlich-unbekümmerten Geist des Familien- und Tagungshauses in Elkhausen hingewiesen. Mensch sein, miteinander eine tolle Zeit er- und verleben, sich anders benehmen dürfen als im Alltag daheim. Und da man sich als naturnahe Einrichtung versteht, gehört die Nutzung regenerativer Energie seit etlichen Jahren zum Konzept.
In Elkhausen, einem Ortsteil der Gemeinde Katzwinkel (Sieg), treffen gewissermaßen der Westerwald, das Bergische und Siegerland aufeinander. Oberhalb der Siedlung liegt, inmitten von Wald, Wiesen, Bachläufen, das zunächst unter dem Namen „Haus Marienberge“ gegründete Domizil. „Wir sind Deutschlands ältestes katholisches Erholungsheim“, schildert Geschäftsführer Hans-Georg Rieth.
Es war dessen Großonkel Pfarrer Albert Schmidt, der 1904 bei Elkhausen geboren wurde und 1945, als er aus französischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, in Essen-Vogelheim eine Holzbaracke zur Notkirche machte. Nur zwei Jahre darauf setzte der unerschrockene Seelsorger kurzerhand 425 Kinder aus den Trümmern des Ruhrpotts in einen Sonderzug nach Wissen und organisierte für sie Sommerferien in und um Elkhausen. „Er hat sie damals in Scheunen, Schulen, bei Privatleuten untergebracht und sich nicht aufhalten lassen“, schmunzelt der Großneffe.
1953 wird die Essener Baracken-Kirche abgebrochen und in Elkhausen wieder aufgebaut; der Grundstein für das jetzige Haus war gelegt. Dort übernachten 1954 erstmals Gäste. Heute ist der „Verein für Familienerholung Marienberge e. V.“, der zwischenzeitlich gegründet wurde, Träger der Einrichtung.
Eine der Kernaufgaben ist in den über 65 Jahren gleichgeblieben: „Tolle Familienfreizeiten zu organisieren“, wie der Geschäftsführer es formuliert. Dazu werden jeden Tag drei nach Alter gestaffelte Kindergruppen mit je zwei Betreuern angeboten, die wandern, klettern, Abenteuer erleben oder den Esel besuchen, der, neben anderen Tieren, auf dem zum Haus gehörenden „Bauernhof“ lebt. Mit dem Trecker geht es zum Picknick, am Lagerfeuer brutzelt das Stockbrot, der naturnahe Spielplatz schafft es, das Kinder „Gameboy“ und Handy vergessen.
Für Eltern gibt es eigene „Männer-“ oder „Frauentage“ und ebenso bewusst Programme, die die ganze Familie zusammen erlebt, da Familien, wie Hans-Georg Rieth sorgenvoll ergänzt, zu Hause immer weniger gemeinsame Zeit verbrächten. Bewusst stehen dabei ebenfalls die einfachen Dinge im Mittelpunkt: „Die Sonnenaufgangswanderung beispielsweise ist ein Renner. Und etwas, das man nicht kaufen kann!“
Menschlichkeit, Miteinander, die Begriffe fallen oft im Gespräch mit dem Leiter des Ferienhauses. „Die Leute finden hier etwas, von dem sie nicht wussten, dass sie es gesucht haben“, sagt er nachdenklich. Vor allem für die Kinder sei es oft eine andere Welt: Während daheim heute fast alle Eltern stets zur Vorsicht mahnten, sich Kinder kaum noch wie Kinder benehmen können, selten einfach draußen herumtoben, sich ohne Vorgaben selbst beschäftigen müssen, geht es in Elkhausen darum, am Wegesrand Gefundenes zum Spielzeug zu machen, ohne viel Zubehör zu basteln, „sich richtig dreckig machen“ zu dürfen.
Familien seien naturgemäß insbesondere in der Sommerferienzeit in der „Ache Noah Marienberge“. Sonst steht die allen offen: Viele Schulklassen seien Gäste, auch Sonderschulen; es kämen ebenso Seniorenkreise, Behindertengruppen (für die eigens behindertengerechte Badezimmer gebaut und Pflegebetten angeschafft wurden), Konfirmandenfreizeiten, Chorwochenenden, Tagungen von Kirchenvorständen finden gleichermaßen statt.
„Die Menschen kommen aus allen Altersstufen und sozialen Schichten“, erläutert Geschäftsführer Rieth. Ihre Herkunft liege schwerpunktmäßig im Ruhrgebiet oder dem Großraum Köln, darüber hinaus reisten Gäste aus ganz Deutschland an.
Viel Geld braucht hier niemand mitzubringen: Die Einrichtung arbeitet als „non-profit“-Organisation nicht gewinnorientiert. Es gibt das Doppelzimmer samt Vollpension schon für 56 Euro! 100 Betten stehen zur Verfügung. Im Jahr (vor Corona) gebe es bis zu 16.000 Übernachtungen. Eine eigene Jugendetage mit 36 Betten sei „quasi die Jugendherberge im Haus“.
Hans-Georg Rieth lebt mit Partnerin und drei Kindern selbst dort, schon seit 27 Jahren. Eigentlich absolvierte er in seiner Heimatstadt Essen eine Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann im Stahlhandel. Doch mit 25 Jahren wechselte er zu dem Idyll in Elkhausen.
Während Rieth das alles erzählt, ist draußen Joachim Maaß mit seinem Pelletlaster vorgefahren. Denn die „Arche Noah Marienberge“ heizt mit dem klimaschonenden Brennstoff aus dem Westerwald. Gerade erst hat WWP-Chef Markus Mann dem Marienberge-Geschäftsführer ein Zertifikat vorbeigebracht. 1.480 Tonnen klimaschädliches CO2, so heißt es darin, habe das Familienhaus dadurch der Umwelt erspart, dass anstelle Heizöls bislang schon 1.000 Tonnen Westerwälder Holzpellets verwendet wurden, um Gästezimmer oder Seminarräume wohnlich warm zu machen.
„Wir haben vor zwölf Jahren mit der Pelletnutzung angefangen“, berichtet Hans-Georg Rieth. Auf den „grünen Strom“ der Unternehmensgruppe MANN habe man zwischenzeitlich außerdem umgestellt. „Wir nennen uns ‚naturnahes Familienferienhaus‘ – da muss man selbst ökologisch handeln!“, begründet der Leiter der Elkhausener Einrichtung, warum er die regenerative Energie aus Langenbach nutze.
Neben der ökologischen Ausrichtung sei die Regionalität sehr wichtig: „Wir versuchen schon, etwas Wirtschaftsethik zu leben, und soweit es im Rahmen von behördlichen Vorschriften möglich ist, mit örtlichen Partnern zu arbeiten. Lokale Lieferanten sind uns wichtig, weil wir viel Wert darauf legen, Partner zu kennen. Ich hasse es, mit einem Callcenter zu sprechen. Ich will mit Menschen zu tun haben.“ Ganz so, wie in der Betreuung und Begleitung der Gäste der „Arche Noah Marienberge“ eben.
Uwe Schmalenbach