Umweltfreundlicher auf dem Heimweg

Willi Köhler (links) versucht mit seinem Kollegen Jannick Kessler, die Reglerwelle des Dampfmotors wieder in Ordnung zu bringen. Derweil lädt sein Fiat draußen vor der Halle.

Die beiden auffälligen Fahrzeuge haben im Advent schon eine Reihe Westerwälder auf Straßen zwischen Hachenburg und Betzdorf bemerkt. Doch jetzt gerade stehen der „Hyundai IONIQ 5“ und der „Fiat 500 E“ auf dem Gelände der Firmengruppe MANN. Dort laden die dekorativ und farbenfroh im Design der „Westerwälder Holzpellets“ folierten PKW echten Ökostrom, während ihre Fahrer fleißig bei der Arbeit sind.

Mit einem recht großen Schraubenschlüssel und einem gut und gerne zwei Meter langen Rohr als Hebel machen sich Willi Köhler und Jannick Kessler in der Werkstatt der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) an einer Reglerwelle zu schaffen. Die, erläutert Köhler, gehöre zum Dampfmotor des Biomasse-Heizkraftwerkes auf dem Firmengelände und sei defekt. Das Problem hat Auswirkungen auf die Pelletproduktion, darum muss schnell Abhilfe geschaffen werden.

Der “500 E” während des Ladens. Entlang der “Halle 2” werden Anfang 2022, im Vorgriff auf die Auslieferung aller elektrischen Betriebsfahrzeuge, weitere “Tankstellen” intalliert.

Während Willi Köhler mit seinem Kollegen schraubt und hebelt und repariert, parkt sein nagelneuer, elektrischer Fiat draußen vor einer benachbarten Halle: Dort sind mehrere Ladepunkte vorhanden – und an einem davon lädt Köhler derweil seinen fahrbaren Untersatz mit „MANN Strom“. Kostenlos. Etwas weiter steht der besagte „IONIQ“. Er gehört Florian Höfer, der als Elektroniker für Betriebselektrik die Anlagenprogrammierungen bei MANN und den WWP erledigt.

Die neuen Wagen sind Köhler und Höfer von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden – obwohl der Kraftwerksspezialist und der Elektroniker „ganz normal“ in Langenbach arbeiten und nicht im Außendienst tätig sind, wo Firmenfahrzeuge sonst üblicherweise eingesetzt werden.

Der Fiat und der Hyundai sind die ersten zwei von zunächst zehn Elektroautos, die von den WWP in diesen Tagen neu angeschafft und den Mitarbeitern sowohl für Fahrten zur Arbeit als auch im Privatleben überlassen werden. Den Gedanken zu dieser Aktion hatte WWP-Chef Markus Mann schon längere Zeit im Kopf gehabt. Als dann im September die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Erneuerbare-Energie-Pionier am Langenbacher Schulweg besuchte (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) und im Hintergrund ein Mitarbeiter mit einem hochmotorisierten Verbrenner vorbeibrauste, da stand für Mann fest: Es soll etwas getan werden, damit auch der CO2-Fußabdruck der Belegschaft weiter sinkt. Und zwar indem den Mitarbeitern angeboten wird, ihren Verbrenner gegen ein Elektroauto, das von den WWP finanziert wird, zu tauschen. Schließlich sei man sich als Anbieter regenerativer Energie ebenso der gesamten eigenen Verantwortung für die Energiewende bewusst, betont Mann.

So machte sich Prokurist Jörg Thielmann auf Geheiß seines Chefs daran, geeignete Fahrzeug- und Finanzierungsmodelle zu sondieren. „Unsere Holzpellets haben zwar ohnehin einen äußerst geringen ‚carbon footprint‘ von unter elf Kilogramm je Tonne, aber eigentlich muss man für eine umfassende CO2-Reduzierung auch die Arbeitswege der Mitarbeiter betrachten“, führt Thielmann aus. „Doch wie schaffen wir es, dazu zumindest einem Teil der Belegschaft den Einstieg in die Elektromobilität zu ermöglichen? Der Kaufpreis der entsprechenden Fahrzeuge ist ja doch sehr hoch, und manch einer hat vielleicht noch ‚Reichweiten-Angst‘ oder so etwas. Darum hatten wir die Idee, in einem ersten Schritt eine Flotte von zehn Fahrzeugen zusammenzustellen“, beschreibt Jörg Thielmann das Vorhaben.

Es sei den Mitarbeitern keinerlei Vorgabe gemacht worden, welches Fabrikat sie auswählen müssen. „Ich habe mich zunächst schlaugemacht, was es überhaupt auf dem Markt an verfügbaren Wagen gibt. Worin unterscheiden sich Modelle? Wo kann ich sie beschaffen? Und habe Angebote für verschiedenste E-Autos eingeholt“, schildert Thielmann. Kleine, günstige Fahrzeuge sollten genauso darunter sein wie familientaugliche oder, falls gewünscht, mit einer ordentlichen Anhängelast (im Fall des „IONIQ“ sind es sogar 1,6 Tonnen).

Der jeweilige Mitarbeiter brauchte seinerseits nur eine anteilige Gehaltsumwandlung beizusteuern – doch in jedem Fall sei die individuelle Mobilität mit dem über die WWP angeschafften Betriebsfahrzeug für jeden der am Programm Teilnehmenden künftig immer deutlich günstiger als der zuvor benutzte Privatwagen, unterstreicht Prokurist Thielmann. Versicherungen, Reparaturen, Reifen und Ähnliches spart der WWP-Beschäftigte, derlei übernimmt bei den E-Autos komplett der Arbeitgeber. „Und alle, die mitmachen, kommen so an ein funkelnagelneues, modernes Auto.“

Das Interesse an dem Angebot sei sofort sehr groß gewesen, wie der Prokurist erzählt: Er hätte ebenso gut und gerne sofort 25 Elektroautos ordern können. Im ersten Schritt umfasst das Kontingent nun zunächst zehn bereits bestellte oder ausgelieferte PKW, wobei die momentan langen Lieferzeiten der Hersteller die Umsetzung der Aktion etwas ausbremsen. Aber Jörg Thielmann hofft, dass bis April, Mai alle Neuwagen bei seinen entsprechenden Kollegen angekommen sein werden.

Zugeteilt wurden die Betriebsfahrzeuge nach der Reihenfolge der Bewerbungen dafür. „Jetzt wollen wir als Firma mit den ersten Autos erst einmal Erfahrungen sammeln, wie es in der Praxis mit der Abwicklung läuft, wie die Kosten sich entwickeln“, so Thielmann. Eine Neuauflage des Programms im kommenden Jahr sei denkbar.

„Citroën E-Jumpy“, „Skoda Enyaq“, „Fiat 500 E“ „Hyundai IONIQ“, „ID 3“ und „ID 4“ von VW, „Kia EV6“, „Opel Corsa E“ „BMW I3“: Durch die Berücksichtigung der Mitarbeiterwünsche – einer ist zum Beispiel „Teilzeitbauer“ und möchte mit dem neuen fahrbaren Untersatz auch Kartoffeln transportieren können – ist eine große Bandbreite an Modellen herausgekommen, die die WWP geordert haben. Allen gemein ist, dass sie von ihren Fahrern, während sie wie Willi Köhler in Produktion oder Verwaltung bei der Arbeit sind, an den MANN-Ladesäulen „getankt“ werden können. Das erfolgt grundsätzlich kostenlos für die Mitarbeiter – und außerdem vom „Lastmanagement“ (siehe auch Seite 6) kontrolliert.

„Wenn eine unserer Anlagen – etwa eine Pelletpresse – besonders viel Leistung benötigt, dann regelt unser Programm die Ladeboxen für kurze Zeit herunter.“ Damit werde vermieden, dass der „Leistungspreis“ (den alle Unternehmen mit einem Strombedarf von über 100.000 Kilowattstunden im Jahr zahlen müssen) aufgrund hoher Lastspitzen sehr teuer würde für die WWP, fährt Florian Höfer fort, der das Lastmanagement bei den WWP programmiert hat. Im Gegenteil spart das Langenbacher Unternehmen jährlich einen fünfstelligen Eurobetrag gegenüber früher ein, seit Messpunkte und die Software mittels sogenanntem „Peak Shaving“ die Maximalwerte begrenzen.

Jörg Thielmann stieß mit dem E-Auto-Angebot auf großen Zuspruch bei seinen Kollegen. Foto: Schmalenbach

Von der – ohnehin nur während weniger Minuten notwendigen – Leistungsreduzierung an den Ladepunkten merken die E-Autofahrer nichts. Nein, schüttelt Florian Höfer den Kopf: „Letztens hatte ich meinen ‚IONIQ‘ morgens um kurz vor sechs Uhr bei Arbeitsbeginn mit nur noch zu 20 Prozent geladener Batterie hier eingesteckt, und um ungefähr elf Uhr kam die Benachrichtigung aufs Handy, dass er bereits wieder vollgeladen sei. Und bis um drei, vier Uhr bin ich mindestens hier.“ So wäre also bis zum Feierabend immer noch überreichlich Zeit, den Ladevorgang weiterlaufenzulassen – selbst wenn das Lastmanagement die entsprechende Wallbox noch zwei oder dreimal häufiger heruntergeregelt hätte, um Lastspitzen im gesamten Areal-Netz der WWP zu begrenzen.

„IONIQ“-Fahrer Höfer weist darauf hin, dass die Ladepunkte vom Lastmanagement nie komplett abgeschaltet, sondern nur heruntergeregelt würden. „Manche Fahrzeuge einiger Hersteller fangen nach einer kompletten Abschaltung des Ladestroms nicht wieder von allein zu laden an, da ihre Software das nicht leistet. Durch das ledigliche Reduzieren des Ladestroms wird das Problem bei allen Fabrikaten vermieden“, erklärt Florian Höfer. Das Auto lädt also kontinuierlich – nur für den Fall, dass das Lastmanagement Lastspitzen kappt, eben mit maximal sechs Ampere Ladestrom. In 85 Prozent der Zeit hingegen laden die Stationen laut Höfer die Autos ohnehin mit „Volldampf“.

Auch, um diese Alltagstauglichkeit der mittels Lastmanagement „getankten“ neuen E-Autos zu untermauern, wurde das Mitarbeiter-Programm aufgelegt, ergänzt Jörg Thielmann einen weiteren positiven Aspekt. „Man sieht, das Lastmanagement, das wir auch unseren Kunden anbieten, funktioniert und erfüllt seine Aufgabe – der E-Autofahrer bekommt selbst gar nicht mit, dass hier oder da mal wenige Minuten mit geringerem Strom geladen wurde. Dafür spart das Unternehmen WWP jedoch viel Geld beim Leistungspreis.“

So gewinnen bei dem neuen Elektroauto-Programm der „Westerwälder Holzpellets“ irgendwie alle: Die Energiewende wird vorangebracht, beim Laden wird kein Atomstrom oder Strom aus umweltschädlicher Kohleverstromung in den Autoakkus gespeichert, sondern zertifizierter „MANN Strom“. Der CO2-Fußabdruck der WWP – bezogen auf das gesamte Unternehmen und nicht allein die hochwertigen Holzpellets – sinkt weiter erheblich dadurch, dass die Mitarbeiter umweltfreundlicher zur Arbeit kommen und nach Hause fahren als früher. Die Beschäftigten profitieren zugleich finanziell. Und die WWP haben mit den zur Verfügung gestellten Fahrzeugen obendrein eine weitere Möglichkeit der Mitarbeiterbindung und um sich mit einem zusätzlichen Merkmal ebenfalls als höchst attraktiver Arbeitgeber für neue Bewerber zu empfehlen.

Willi Köhler hat das Problem mit der Reglerwelle inzwischen gelöst und das Teil wieder im Kraftwerk montiert. Der erfahrene Kraftwerkspezialist hat sich gewaschen und umgezogen, „stöpselt“ den 500er-E-Fiat ab – und tritt emissionsfrei den 13 Kilometer langen Heimweg in seinem neuen WWP-Auto an.

Uwe Schmalenbach