Interessant, was Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Anfang Juli dem „Tagesspiegel“ gesagt hat: Noch in diesem Monat werde man das Ziel von einer Million Elektroautos in Deutschland erreichen. Zudem werde es 2021 eine Rekordförderung für diese geben. Offenbar macht die Kaufprämie Wagen mit alternativen Antrieben attraktiver. Bemerkenswert ist allerdings, dass die doch eigentlich im Sinne des Klimaschutzes geförderten Automobile nur ungefähr zur Hälfte rein elektrische Fahrzeuge sind – die andere Hälfte machen Plug-in-Hybride aus.
Dass Altmaier nicht zwischen vollelektrischen und „Plug-ins“ unterscheidet, sondern die unterschiedlichen Fahrzeugtypen als „Elektroautos“ vermischt, mag man befremdlich finden, wenn nicht gar als Augenwischerei beurteilen. Denn Fakt ist: Plug-in-Hybridfahrzeuge verfügen sowohl über einen klassischen Verbrennungsmotor als auch über einen Elektroantrieb, dessen Batterie sich an der Steckdose aufladen lässt.
An sich sei das durchaus eine gute Idee, bewerten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Verkehrsclub Deutschland VCD in einem gemeinsamen Faktenpapier. Kurze Strecken könnten so elektrisch, längere mit „Verbrenner“ bewältigt werden. Problematisch sei allerdings, dass die Realität eben ein ganz anderes Bild zeige: Tatsächlich werden die Fahrzeuge von ihren Nutzern nämlich selten geladen, wodurch der reale Kraftstoffverbrauch – und somit CO2-Emissionen – im hohen Maße über den Herstellerangaben lägen. So seien „Plug-ins“ eher „Spritfresser im grünen Mäntelchen“.
Viele Umweltschutzverbände und Institute kommen gleichfalls zu der Erkenntnis, dass die Wagen nicht halten, was sie versprechen. Die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH) untersuchte im vergangenen Jahr mehrere Plug-in-Hybrid-Modelle und stellte fest, dass diese im realen Fahrbetrieb ein vielfaches an CO2 ausstießen und somit die Normwerte deutlich überschritten. Das Messverfahren, so der Verein, müsse daher dringend umgestellt werden, man solle endlich anfangen, die Realemissionen zu ermitteln. Denn nur aufgrund dieser könne die Klimafreundlichkeit eines Fahrzeugs wirklich beurteilt werden. Gleichermaßen müsse folglich auch die staatliche Förderung daran orientiert werden. Rein elektrisch, so urteilt wiederum der ADAC, komme ein „normales“ Hybridfahrzeug im niedrigeren Geschwindigkeitsbereich nur wenige Kilometer weit.
Dass die elektrische Reichweite im Grunde viel zu gering ist und das Auto somit die meiste Zeit als konventioneller Verbrenner unterwegs ist, macht die Kaufprämie, die für den Erwerb ausgeschüttet wird, im Sinne des Umweltschutzes umso absurder. Insbesondere, weil noch hinzukommt, dass die beiden Antriebssysteme auch zwangsläufig mehr Gewicht bedeuten, die Fahrzeuge also schwerer sind als jene mit nur einem Motor und dadurch mehr Energie verbrauchen.
Wie zynisch die Förderung von Plug-in-Hybridfahrzeugen im Namen des Klimaschutzes ist, beweist eine Studie, die das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu), „Öko-Institut e.V.“ sowie „Transport & Environment“ im Auftrag des Bundesumweltministeriums durchgeführt haben: Da sie zu oft im Verbrennermodus unterwegs seien, gefährdet der Boom der Plug-in-Hybride die Klimaziele im Verkehr sogar!
Dennoch spricht das Kraftfahrtbundesamt zu Beginn 2021 nicht ganz zu Unrecht von einer „Überholspur“, auf der sich Elektromobilität in Deutschland befinde. Tatsächlich entscheiden sich mittlerweile auch immer mehr Menschen für ein reines E-Auto. Vor zehn Jahren betrug die Anzahl an Neuzulassungen vollelektrischer Pkw in Deutschland noch „magere“ 2.154, was lediglich 0,07 Prozent Marktanteil aller damals neuzugelassenen Pkw ausmachte. Vier Jahre später, 2015, waren es zwar immerhin schon 12.363 Autos – ihr Anteil lag jedoch nur bei knapp 0,4 Prozent. 2017 belief sich die Zahl der E-Autos dann plötzlich auf enorme 25.056 Fahrzeuge. Sie hatten damit aber immer noch nur einen Marktanteil von 0,7 Prozent. Ein gewaltiger Schritt war von 2019 auf 2020 festzustellen: 2019 kamen Elektroautos auf 63.281 Neuzulassungen, ihr Anteil damit auf 1,8 Prozent – 2020 waren es hingegen 194.163 E-Autos, was einen Marktanteil von 6,7 Prozent bedeutete! Durchaus ein Erfolg für die „Stromer“.
Allerdings – blickt man auf das letzte Jahr, muss ebenso die andere Seite der Wahrheit festgehalten werden: Den 194.163 vollelektrischen Wagen stehen weitaus mehr Hybridfahrzeuge gegenüber – 527.864! Das sind demnach 6,7 Prozent E-Autos gegenüber 18,1 Prozent Hybridwagen.
„Man ist ja auch nicht halbschwanger“, verdeutlicht MANN-Chef Markus Mann die Scheinheiligkeit der Hybrid-Systeme. Zwar befinden sich im Fuhrpark des Langenbacher Energieversorgers neben acht rein elektrischen Autos auch zwei Hybridwagen. Dass die vor wenigen Jahren für zwei MANN-Mitarbeiter angeschafft werden mussten, sei damals jedoch schlichtweg alternativlos gewesen, da gelegentlich sehr weite Strecken zurückgelegt werden. Doch beide Mitarbeiter, so der Firmenchef, forcierten inzwischen einen schnellstmöglichen Umstieg auf reine Elektroautos.
Denn: In der Tat muss die „Reichweitensorge“ mittlerweile nicht mehr zwingend vom Kauf eines vollelektrischen Autos abhalten. So teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Anfang Juli mit, dass der Ladeinfrastrukturausbau in der Fläche vorankomme, sowohl in Metropolen als auch in Städten jeder Größe und in Landgemeinden. Die Verdichtung des Ladenetzes sei „spürbar“.
Es tut sich also viel bei der Elektromobilität in Deutschland. Das „Center of Automotive Management“ (CAM) prognostiziert in einer Elektro-Studie, dass 2025 mehr als ein Viertel der Neuzulassungen elektrische Modelle sein werden – mit deutlichem Trend zu mehr rein elektrischen Fahrzeugen als „Plug-ins“. Denn man müsse damit rechnen, so die Studie des CAM, dass sich aufgrund der Diskrepanz zwischen Norm- und Realverbräuchen von Plug-in-Hybriden eine Anpassung der Förderkulissen ergebe – und damit sinkende Neuzulassungsanteile. In den 2030er-Jahren könne der Verbrennungsmotor dann sogar in eine Nischenrolle gedrängt werden.
Doch sollte bei aller Euphorie eines nicht vergessen werden: Selbst das beste Elektrofahrzeug bringt keine positive Klimabilanz, wenn es mit Atom- und Kohlestrom „betankt“ wird. Einen wirklich günstigen CO2-Fußabdruck erzielt der Stromer nur, wenn er mit hundertprozentigem, zertifiziertem Ökostrom geladen wird. So, wie es bei MANN schon längst selbstverständlich ist. Alle elektrischen Firmen-Pkw werden an den vor elf Jahren auf dem Langenbacher Betriebsgelände installierten Elektro-Ladesäulen auf- und nachgeladen, durch die der von „MANN Naturenergie“ vertriebene Grünstrom direkt in die Fahrzeuge „fließt“.
Uwe Schmalenbach