Es piept kurz, dann beginnt ein violett-weißlicher Lichtpunkt über das Lärchenholz zu zucken. Gerade so wahrnehmbare Rauchwölkchen steigen auf – darunter werden erste Konturen des „Westerwälder-Holzpellets“-Logos erkennbar. Der Vorgang erinnert an das Brandmalen, das vermutlich schon im alten Ägypten für Verzierungen genutzt wurde. Doch statt eines Brandmalkolbens, wie ihn viele Hobbybrandmaler heute einsetzen, überträgt ein kleiner Laser das Signet auf das darunter befindliche Brett. Dieses ist Teil eines Nistkastens – und er das Resultat einer besonders wertvollen Kooperation.
„Wrritt, wrrriiittt“, surrt der Akkuschrauber. Noch zwei letzte Schrauben eindrehen – wieder hat André Altbürger ein Vogelhaus fertig und legt es auf eine Palette zu weiteren Exemplaren. „Das ist eine Auftragsarbeit für die Firma MANN“, erläutert Günter Keßler. Er ist Betriebsleiter am Rotenhainer Standort der „Caritas-Werkstätten Westerwald-Rhein-Lahn“, wo die Vogelhäuschen auf Bitten der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gefertigt werden. Sie seien für Meisen gedacht; das Loch, das hineinführt, habe daher eine bestimmte Größe, so dass keine Raubvögel hindurchpassen. „Normalerweise bauen wir solche Nistkästen aus Tanne oder Fichte, doch Herr Mann wünschte sich Lärche, damit es wertiger und haltbarer wird“, zwinkert Keßler.
Er selbst ist seit 19 Jahren in Rotenhain tätig, der Betrieb dort besteht seit 26 Jahren. Werkstätten des Caritasverbandes im Westerwald und im Rhein-Lahn-Kreis existieren (neben weiteren Angeboten wie beispielsweise der Tagesförderstätte in Wirges oder dem „CAP-Lebensmittelmarkt“ in Hundsangen) außerdem in Montabaur, Niederelbert, Nauort, St. Goarshausen und Lahnstein. Insgesamt, so Günter Keßler, kommen etwa 650 Menschen in diese Einrichtungen.
Garten- und Landschaftsbau, Hausmeisterei, Wäscherei, Lager und Logistik, Holzbearbeitung, Lettershop, Palettenbau oder Verpackung und Konfektionierung: in diesen und vielen weiteren Bereichen sind Menschen in den Caritas-Werkstätten aktiv. Grundlage sind entsprechende gesetzliche Vorschriften. Die verlangen, dass Menschen mit (körperlichen, geistigen oder seelischen) Einschränkungen, die dem sogenannten „ersten Arbeitsmarkt“ nicht oder noch nicht zur Verfügung stehen können, in den Einrichtungen eine Qualifikation für den ersten Arbeitsmarkt erhalten. Dabei müssen die Beschäftigten ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit leisten und erhalten im Gegenzug einen Werkstattlohn, wie der Betriebsleiter ausführt.
Die so sichergestellte Teilhabe am Arbeitsleben wie die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung entspreche dem gesetzlichen Auftrag. Der regelt ebenso räumliche Verhältnisse: Die Anfahrt zur Werkstatt darf nicht länger als eine Stunde ausfallen. Der Rotenhainer Betrieb ist demnach zuständig für die Verbandsgemeinden Hachenburg, Bad Marienberg, Rennerod, teilweise Westerburg. „Und eine Beschäftigte kommt aus der VG Selters“, ergänzt Günter Keßler.
Apropos Arbeitsweg: Ein Fahrdienst bringt die Menschen täglich nach Rotenhain und zurück, denn von den zur Zeit 137 dort Beschäftigten wohnen etwa Dreiviertel bei ihren Familien oder bei Angehörigen; alle anderen in Wohngruppen in der Region.
Eine weitere Arbeitsform betrifft dauerhaft circa 30 bis 40 Menschen, die von den Caritas-Werkstätten Rotenhain kommen: Sie sind mit dem Status „Werkstattbeschäftigte“ auf „Außenarbeitsplätzen“, also direkt bei Unternehmen der Region tätig, werden allerdings weiterhin von Caritas-Mitarbeitern betreut. Bei dieser Konstruktion komme es, daran lässt Günter Keßler keinen Zweifel, sehr wesentlich auf das Wohlwollen der Verantwortlichen an.
Werkstätten wie jene in Rotenhain haben ergänzend „arbeitsbegleitende Maßnahmen“ wie zum Beispiel ein Sportangebot anzubieten. Dafür gibt es dort eigens eine Sporthalle – die wegen „Corona“ derzeit jedoch als zusätzliches „Speisezimmer“ genutzt werden muss. „In unserem eigentlichen Speisesaal essen sonst 80 bis 100 Personen“, beschreibt Günter Keßler, „durch die räumliche Entzerrung sind es nunmehr vielleicht 18 bis 20 mit entsprechend großen Abständen zueinander.“
Die gemeinnützigen Einrichtungen sind – bei allem sozialen Engagement – zugleich verpflichtet, eine Wertschöpfung zu erzielen. Davon werden schließlich die Werkstattlöhne bezahlt. „Wir versuchen daher schon, mit den Unternehmen der Region in irgend einer Form zusammenzuarbeiten und unsere Dienstleistung anzubieten“, betont Keßler, „wir wollen gleichwohl niemandem auf dem ersten Arbeitsmarkt die Arbeit wegnehmen!“ Es gehe um Nischen, in denen vielleicht nicht unbedingt ein Facharbeiter benötigt werde. „Oder was passt in der betreffenden Firma nicht in dortige Abläufe, das wir hier jedoch gut darstellen können“, fügt der Betriebsleiter an. Diese Erfordernisse des Marktes müssen Keßler und seine Kollegen dann mit einem „Bedarfsplan“ in Einklang bringen, den es für jeden Beschäftigten bei der Caritas gebe: „Was hat er für Fähigkeiten? Was möchte er selbst machen? Wohin soll er sich entwickeln?“
Eines wird also sehr deutlich: Das gesamte System und die ehrbare Absicht der Teilhabe am Arbeitsleben lassen sich nur umsetzen, wenn über alle gesetzlichen Regularien hinaus Unternehmen bereit sind, den Werkstätten Aufträge zukommenzulassen.
So wie die WWP mit dem Bau der Nistkästen: Die werden als Dankeschön des Westerwälder Energielieferanten bei einer Lieferung im März an seine Pelletkunden verschenkt. „Wir wollen nicht irgendwelche Werbegeschenke verteilen, die dann in der Mülltonne landen, sondern mit denen man etwas anfangen kann und die einen nachhaltigen, ökologischen Zweck haben, also zu unseren regenerativen Energieträgern passen“, kommentiert WWP-Chef Markus Mann. „Wer keinen eigenen Garten besitzt, findet sicher einen Baum in der Nähe für den Kasten“, lächelt er und streicht zufrieden über das fertig gelaserte Logo auf einem in Rotenhain montierten Vogelhaus.
Uwe Schmalenbach