Bio-Brennstoff

„Peak Shaving“ spart Strom, Geld und treibt die Energiewende voran

In der täglichen, praktischen Anwendung zeigt MANN Naturenergie, dass die erforderlichen Eingriffe in den Produktionsprozess äußerst gering sind und nicht einmal ein Prozent der Betriebsstunden betreffen

„Was wir uns vorstellen: Was hier bei uns im Werk im Kleinen passiert, muss eigentlich in einer ganzen Verbandsgemeinde, einem Landkreis, ja eigentlich bundesweit ineinandergreifen“, sagt Markus Mann,Geschäftsführer von MANN Naturenergie, versonnen. Er denkt dabei an ein Projekt, das im Januar dieses Jahres „scharfgeschaltet“ wurde und seither hilft, den maximalen Stromverbrauch zu reduzieren und die „Energiewende vor Ort“ voranzubringen. Das passiert in erstaunlicherweise nur äußerst kleinen Eingriffen ins firmeneigene Stromnetz, hat aber enorme Auswirkungen.

Florian Höfer hat eine Menge Grafiken, Diagramme, Tabellen auf seinen Computern. Der gelernte Elektroniker für Betriebselektrik kümmert sich bei MANN und den „Westerwälder Holzpellets“ generell um alle Anlagenprogrammierungen und hat das im Januar gestartete „Peak Shaving“ wesentlich vorangebracht. Höfer zeigt anhand eines Schaubildes, wie komplex das Areal-Stromnetz auf dem Firmengelände ist: Da gibt es eine Menge Verbraucher, darunter einige, die „richtig Leistung ziehen“. Der Hacker beispielsweise, in dem eine mit Messern bestückte Trommel Holz zu zerkleinern vermag: Die Anlage benötigt bis zu 220 Kilowatt (kW) Strom, um das Bio-Material zu bearbeiten. Auch das Schreddern von Bio-Brennstoff für das firmeneigene Kraftwerk zieht viel. Auf der anderen Seite gibt es bei MANN eine Reihe Komponenten, die Strom einspeisen: zahlreiche Photovoltaik-Module etwa. An all diesen Geräten und Anlagen sind Messpunkte installiert, die in die von Florian Höfer auf die Bedürfnisse der Firma MANN programmierte Software einfließen, so in Echtzeit anzeigen, was wo erzeugt und was verbraucht wird sowie wie groß der Bezug aus dem öffentlichen Stromnetz ist. 1.780 kW sei der bisherige Jahresspitzenwert gewesen, schildert Höfer.

Elektronik: Bei MANN Naturenergie kümmert sich Florian Höfer um alle Anlagenprogrammierungen und hat auch das “Peak Shaving” eingerichtet.

Elektronik: Bei MANN Naturenergie kümmert sich Florian Höfer um alle Anlagenprogrammierungen und hat auch das “Peak Shaving” eingerichtet.

Dieser ist im Computer hinterlegt. Eine Art „Stromtacho“ zeigt in „grün, gelb und rot“, wie sehr der Momentanverbrauch sich diesem Höchststand annähert. Da greift das „Peak Shaving“, das das Erreichen dieser Lastspitze vermeidet, um den höchsten, in einem 15-Minuten-Intervall gemessenen Durchschnitt zu vermindern.Was theoretisch komplex klingt, wird in der Praxis mit verhältnismäßig einfachen Eingriffen umgesetzt: „Verschiebbare Lasten“ in der Produktion von „Westerwälder Holzpellets“ werden so gesteuert, dass sie nicht in ausgerechnet einem solchen Moment den Stromverbrauch erhöhen, in dem dieser sich, aufs gesamte Betriebsgelände bezogen, ohnehin schon Richtung Maximum bewegt. „Das Abwerfen von Lasten funktioniert etwa dadurch, dass unsere E-Tankstellen den Ladevorgang für ein paar Minuten oder auch mal eine halbe Stunde stoppen“, erläutert Florian Höfer. „Der Autofahrer, der sein Fahrzeug stundenlang an der Säule geparkt hat, merkt davon später nichts, der Wagen ist voll. Aber er wurde geladen, wenn andere Anlagen gerade nicht maximal liefen.“

Überblick: In Echtzeit registriert das System jeden Verbraucher und auch jede Einspeisung von Strom auf dem MANN-Firmengelände und errechnet daraus, wie nah man sich dem Spitzenwert annähert.

Ein weiteres Beispiel für dieses Lastmanagement ist der Baggerfahrer, der mit seinem großen blauen Gerät mit Rädern und Greifer Rundholzstämme bei dem stromhungrigen Hacker auflegt, die dieser sodann zerkleinert: Der Fahrer hat im Führerhaus ein Tablet dabei, auf dem die selben „Stromuhren“ zu sehen sind, die auf Florian Höfers Computern in seinem Büro abgebildet sind. Wenn der Zeiger den grünen Bereich verlässt und „in Richtung rot“ wandert, kann der Fahrer für einen Moment aufhören, neues Holz in den Hacker zu füllen. Dessen Stromverbrauch sinkt daraufhin, die Erreichung der Lastspitze wird so vermieden. „Das heißt jedoch nicht, dass der Kollege in der Zeit nichts machen kann“, stellt Florian Höfer klar. „Er kann zum Beispiel zum Rundholzplatz fahren und für die Folgezeit schon neue Stämme holen.“ Künftig soll als zusätzliche Erleichterung ein Puffer an den Hacker angebaut werden, den der Baggerfahrer befüllt, und der, von der Lastmanagement-Software gesteuert, automatisch nur dann Stämme zum Hacker fördert, wenn dadurch die Spitzenlast nicht erreicht wird. Das Prinzip wird bei MANN Naturenergie an vielen Stellen angewendet, ebenso in der Pelletproduktion: Hier kann dadurch, dass für kurze Zeit weniger Sägespäne zu den Pressen gelangen, deren Strombedarf ebenso reduziert werden. Die Anlage bleibt keineswegs stehen und hört nicht auf, den regenerativen Brennstoff zu produzieren, sie wirft nur für kurze Zeit weniger Pellets aus.Wie wirksam das System ist, zeigt sich anhand eines anderen der vielen Werte, die Florian Höfer aufzeichnet: MANN hat den Spitzenwert von den besagten einstigen 1.780 kW mit diesen Maßnahmen deutlich auf 1.507 kW reduzieren können. Bei der Berechnung des „Leistungspreises“ (s.u.) macht sich diese Verminderung erheblich bemerkbar und hilft MANN Naturenergie, einen fünfstelligen Betrag einzusparen. „Für Firmen ist es also absolut lohnenswert, so ein System zu installieren“, freut sich Markus Mann über den Erkenntnisgewinn.

Anzeige: Beispielsweise der Baggerfahrer kann jederzeit sehen wie groß der “Stromhunger” des ganzen Betriebes gerade ist – und seine Arbeit daran anpassen.

Und noch eine Beobachtung haben die Energiepioniere mit dem Versuch im eigenen Betrieb gemacht: Die im Firmennetz eingebundenen Verbraucher mussten gar nicht so sehr häufig oder langanhaltend gebremst werden! Die E-Tankstellen waren dabei die Komponente, die am stärksten betroffen gewesen ist, da man sie laut Florian Höfer am einfachsten abschalten könne. Doch selbst bei diesen Stromabnehmern wurde die Betriebszeit nur zu drei Prozent eingeschränkt. Das ist bereits der Maximalwert in Höfers Statistik, alle anderen Verbraucher wurden lediglich zu weit weniger als einem Prozent ihrer Betriebsstunden einbezogen. Die Mitarbeiter bemerken die geplanten „Ausfälle“ also nahezu gar nicht, die Produktion wird dadurch nicht beeinträchtigt. Wenig bremsen für einen großen Effekt, das ist das Ergebnis der bisherigen Erfahrungen MANNS mit dem „Peak Shaving“. Daneben wurden bei MANN zur weiteren Optimierung des Stromverbrauchs alle (älteren) Elektromotoren in Maschinen gegen inzwischen verfügbare, energieeffizientere ausgetauscht. Gleichwohl werden die alten als Ersatzteil aufgehoben, die Ausfälle überbrücken helfen können. Überall wurde auf LED-Beleuchtung auf dem Firmengelände umgestellt, statt früher genutzter Zeitschaltuhren regeln Bewegungsmelder den Einschaltvorgang.Doch die Langenbacher wollen ihr System noch erheblich weiter ausbauen und verfeinern. Soeben wurden 114 „Second-Life“-Batterien (s.u.) aus Mercedes-Hybrid-Fahrzeugen bestellt. Sie werden auf dem Betriebsgelände in Langenbach bis zum Jahresende zusammen zu einer Großbatterie mit einer Kapazität von 1,4 Megawattstunden – die einige Vorteile bringen soll: Einerseits kann der Stromspeicher Windenergie aus dem firmeneigenen Windpark puffern. Das Kabel von den Windmühlen zum Werk soll im kommenden Jahr gelegt, der Windpark ins Lastmanagementsystem ebenfalls eingebunden werden. Daneben hilft die Großbatterie bei der „Blindstromkompensation“: So nennt man, grob dargestellt, Energie, die fortwährend zwischen Erzeuger und elektrischem Verbraucher hin- und herfließt, ohne genutzt werden zu können. Sie entsteht bei der Erzeugung elektrostatischer oder elektromagnetischer Felder, die in der Industrie oft auftreten (etwa bei jedem Elektromotor). Dann soll die Großbatterie außerdem Primärregelleistung bieten. Diese ist quasi eine Reserve, die kurzzeitig (innerhalb von Sekunden) Laständerungen abzufedern hilft, um so unvorgesehene Frequenz-Schwankungen im Stromnetz auszugleichen.

Lastabwurf: Wenn die nächsten Stämme einen Moment lang nicht am Hacker aufgelegt werden, kann der kurzzeitig seine Leistung reduzieren, das erreichen der Spitzenlast wird vermieden. In mehr als 99 Prozent der Arbeitszeit kann dennoch völlig uneingeschränkt weitergemacht werden, erläutert Florian Höfer.

Doch der Hauptzweck der aus „alten Batterien“ aufgebauten Großbatterie ist, dass der darin gespeicherte Strom eingesetzt werden kann, um die besagten Leistungsspitzen zu kappen, was sich zusätzlich positiv auf den Durchschnittswert auswirken wird – so der Plan von MANN Naturenergie –, den der Energieversorger im „Leistungspreis“ in Rechnung stellt. Nicht einfach mehr Strom zu produzieren, wenn die Maschinen ihn benötigen, sondern die Last zu verteilen und so mit insgesamt weniger Jahreshöchstleistung auszukommen: Markus Mann wünscht sich, dass sein Unternehmen damit eine „Blaupause“ für den Markt wird. Er wolle zeigen, dass sich das Spitzenlastmanagement lohne, gerade auch finanziell, damit es andere Unternehmen nachmachten. Denn selbst, wenn „MANN Naturstrom“ zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen stammt: Noch besser, als bei der Energiewende alles auf „grünen Strom“ umzustellen, sei es, die Energie gar nicht erst zu verbrauchen. „Wir verbinden dabei alles Tun und unser Bemühen um den Umweltschutz mit Wirtschaftlichkeit und Praxisbezug“, hebt der Firmenchef hervor. Diese Vorgehensweise ist für Markus Mann Teil der „Energiewenden vor Ort“. Und einmal mehr ein Beleg, dass Ökonomie und Ökologie wunderbar Hand in Hand gehen können, wenn man es clever anstellt und nach neuen Wegen sucht. „Wir fordern sie nicht nur, wir leben die Energiewende auch bei uns ,im eigenen Stall‘ – und verdienen obendrein noch Geld damit“, unterstreicht Markus Mann.


Leistungspreis

Der „Leistungspreis“ macht die Stromrechnung für Firmen besonders teuer

Den sogenannten „Grundpreis“ sowie den „Arbeitspreis“, der die verbrauchte Menge abbildet, kennt jeder von seiner Stromrechnung. Für Unternehmen jedoch, die über 100.000 Kilowattstunden im Jahr benötigen, sehen entsprechende Verordnungen eine „registrierende Leistungsmessung“ vor: Der Energieversorger ermittelt im 15-Minuten-Takt den durchschnittlichen Stromverbrauch des Kunden und leitet daraus eine dritte Komponente ab, den „Leistungspreis“.

Und der kann für Firmen sehr teuer werden. Denn für die Berechnung dieser Größe legt der Stromlieferant den höchsten Durchschnitt zugrunde, der innerhalb eines Abrechnungszeitraumes festgestellt wurde. Wenn dieser beispielsweise ein Jahr beträgt, in dem jedoch nur ein einziges Mal und an nur einem Tag des Jahres die maximale Strommenge (der „Peak“) abgenommen wurde, treibt er die Stromkosten dennoch deutlich nach oben, obschon der Durchschnittsverbrauch im selben Jahr erheblich niedriger liegen kann. „Doch der Energieversorger muss die maximal denkbare Leistung immer vorhalten, egal, ob wir sie abnehmen – und das kostet“, hebt Florian Höfer hervor.


„Second-Life” Batterie

Das „zweite Leben“ der Batterien

Je mehr Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs sind, desto mehr Batterien werden das Ende ihrer Nutzungsdauer in den Fahrzeugen erreichen. Sie kann man entweder (aufwändig) recyclen – oder sie „rekonditionieren“.

Danach sind sie noch in anderen Anwendungen als in Pkw nutzbar, etwa zum Antrieb von Maschinen, wo die Akkus meist in kleineren Raten ge- und entladen werden als im Auto, wo bei jedem „Gas geben“ Strom entnommen und bei jedem Tritt aufs Bremspedal wieder welche zugeführt wird, was die Batterien relativ schnell verschleißt.Durch die Rekonditionierung sollen „alte“ Batterien aus E-Autos, das ist der aktuelle Forschungsstand, noch zehn Jahre länger genutzt werden können, eben als „Second-Life“-Batterien. Je mehr Elektroautos fahren, desto billiger werden diese Stromspeicher. Inzwischen kosten sie etwa 150 Euro pro Kilowattstunde Kapazität – der Wert lag noch vor wenigen Jahren beim Doppelten.

Uwe Schmalenbach